PESCO: Die Zauberformel der EU-Militarisierung

Mit der Gründung der Militärunion PESCO durch fast alle EU-Staaten im Dezember 2017 erreicht die Militarisierung der Union neue Ausmaße. Österreich ist an vorderster Front dabei. Doch Demokratie und Transparenz geraten mit dem neuen Pakt ins Hintertreffen. Eine Analyse von Marcel Andreu und Elisabeth Klatzer.

Die Regierung nennt es Katastrophenschutz. Im August beschloss der Ministerrat den Kauf von 15 Kampfhubschraubern um kolportierte 400 Millionen Euro. FPÖ-Verteidigungsminister Mario Kunasek sprach von einem „Katastrophenschutz-Paket“. Dahinter verbirgt sich aber etwas anderes. Ist der Kauf Teil des nationalen Aufrüstungsplanes, den Österreich nach Brüssel geschickt hat? Oder schon Vorleistung für den nächsten, der bis 10. Jänner 2019 in Brüssel sein muss?

Denn von der Öffentlichkeit abgeschottet hat in der EU ein tiefgreifender Wandel stattgefunden: Mit der Gründung der Militärunion PESCO durch 25 von 28 EU-Staaten im Dezember 2017 legte die EU den Grundstein für permanente Aufrüstung und Kriegseinsätze. Das Vertragswerk ist ein Meilenstein in der Militarisierung der EU und öffnet Tür und Tor für eine demokratisch kaum mehr kontrollierbare Aufrüstung.

Obwohl der EU-Vertrag ein Finanzierungsverbot von Maßnahmen mit militärischen oder verteidigungspolitischen Bezügen aus dem EU-Budget enthält, verschiebt die EU-Kommission enorme Summen in Richtung Militarisierung. Und Österreich macht voll und fleißig mit. Was schon vor Schwarz-Blau angefangen hat, erreicht nun neue Ausmaße.

Zauberformel PESCO

Die Zauberformel „PESCO“ – auf Deutsch „Ständige Strukturierte Zusammenarbeit“ (SSZ) in Militärfragen – bedeutet Zwang zur permanenten Aufrüstung: Österreich hat sich wie alle teilnehmenden Staaten mit PESCO zur „regelmäßigen realen“ Erhöhung des Militärbudgets verpflichtet, zur „schrittweisen Erhöhung“ der Rüstungskäufe, zur Erhöhung der Ausgaben für Militärforschung und zur Beteiligung an immer mehr gemeinsamen Projekten zur Militarisierung Europas, genannt „strategische Verteidigungsfähigkeiten“.

Mit PESCO wird auch die Teilnahme an EU-Kampftruppen verpflichtend. Die nationalen Beiträge zu den Gefechtsverbänden sind auf vier Jahre im Voraus festzulegen und verpflichtend auf NATO-Standards zu bringen. Und damit diese rasch eingesetzt werden können, hat sich auch Österreich dazu verpflichtet, politische Entscheidungen in militärischen Fragen „auf die Überholspur zu bringen“, wie es in den PESCO-Verpflichtungen wörtlich heißt.

In letzter Konsequenz bedeutet das, demokratische Mechanismen auf nationaler Ebene zunehmend auszuhebeln. Gleichzeitig sind Rüstungskonzerne von Anfang an eng eingebunden und haben privilegierten Zugang, so dass ihre Profitinteressen mit der EU-Aufrüstung bestens bedient werden.

Ausrede EU-Entscheidungen

Die Mechanismen des neoliberalen Umbaus der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) werden nun für die Militarisierung kopiert. Bei der WWU sind es die Budgetregeln, die in den Mitgliedstaaten demokratische Prozesse aushöhlen und den Druck erhöhen, beim Sozialstaat zu kürzen. Gleichzeitig sind sie für so manche Regierung ein willkommener Anlass, die Verantwortung für unsoziale Kürzungspolitik auf die EU zu schieben. Das gleiche taktische Kalkül der europäischen Eliten und Regierungen steckt hinter PESCO. Die Möglichkeit, sich dabei auf „EU-Entscheidungen“ oder „EU-Regeln“ auszureden, ist darin enthalten.

Überwachungsprozesse sollen wie schon im Wirtschaftsbereich sicherstellen, dass diese Regeln umgesetzt werden. Die jährlich zu aktualisierenden „nationalen Umsetzungspläne“, treffender gesagt Rüstungspläne, werden vom Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) und der Europäischen Verteidigungsagentur (EVA), einem Einfallstor für die Rüstungsindustrie, bewertet. Rüstet ein Land nicht schnell genug auf, kann es aus dem Bündnis ausgeschlossen werden.

Milliarden für Aufrüstung durch EU-Rechtsbruch

Die EU-Kommission mobilisiert kreativ zig Milliarden Euro für die Militarisierung und Rüstungsindustrie – ungeachtet des Finanzierungsverbots für Militär und Verteidigung unter Artikel 41(2) im EU-Vertrag. Die Tricks, um trotzdem EU-Gelder zu mobilisieren, reichen von der Anrufung der Förderung des Wettbewerbs in der Rüstungsindustrie, dem Fokus auf Rüstungsforschung bis hin zu Budgets außerhalb des Finanzrahmens.

Allein mit dem European Defense Fund will die Kommission bis 2027 40 Milliarden Euro aus EU- und Staatsbudgets mobilisieren. Im EU-Budget sind darüber hinaus etwa 6,5 Milliarden Euro für strategische militärische Transportinfrastruktur im Rahmen von Connecting Europe vorgesehen, ebenso wie weitere Gelder für Forschungsförderung im Militärbereich. Und zusätzlich 10,5 Milliarden Euro außerhalb des Budgets für die European Peace Facility zur Finanzierung von Militäroperationen.

Österreich als Musterschüler

Die Regierung kürzt Gelder für Gesundheit, Integration, Arbeitsmarkt, Frauenförderung und vieles mehr. Für das Bundesheer dagegen ist bis 2020 eine Budgeterhöhung um über elf Prozent vorgesehen. Und darüber hinaus gibt es kurzerhand „Sonderinvestitionen“ in Milliardenhöhe.

Mit PESCO ist praktisch sichergestellt, dass das österreichische Militärbudget auch künftig regelmäßig erhöht werden wird. Darauf setzen auch die FPÖ und das Bundesheer. Doch nicht nur die Regierung hat sich für PESCO ausgesprochen – alle österreichischen Parlamentsparteien begrüßen PESCO.

Angesichts dieses Rückhalts schon durch die Vorgängerregierungen ist es kein Wunder, dass Österreich als „Musterschüler“ gilt, wenn es um die Beteiligung an EU-Auslandseinsätzen geht. Österreich beteiligt sich bereits seit 2010 freiwillig an den EU-Battlegroups, seit dem PESCO-Beschluss ist das verpflichtend. Die koordinierte Umsetzung des EU-Rüstungsplanes („Fähigkeitenentwicklung“) und substanzielle Unterstützung für Militäreinsätze („Missionen und Operationen“) ist über PESCO-Projekte organisiert. Österreich nimmt derzeit an vier Militärprojekten teil und wird im Zuge der nächsten Projektrunde voraussichtlich selbst mehrere Projekte leiten.

Der geheime Plan

Der detaillierte Umsetzungsplan über die Beteiligung an der EU-Aufrüstung, den die Regierung nach Brüssel geliefert hat, wird unter Verschluss gehalten. Wieder einmal wird die Demokratie mit Füßen getreten.

Ein erster Schritt muss es sein, die Regierung zur Veröffentlichung der Verpflichtungen gegenüber Brüssel zu zwingen; und vor Abgabe der nächsten Verpflichtungen – jährlich am 10. Jänner – einen breiten Diskussionsprozess in Gang zu setzen, um der heimlichen Militarisierung Österreichs einen Riegel vorzuschieben. Andernfalls kann uns die Regierung auch in Zukunft an der Nase herumführen, wie beim Hubschrauberkauf im Sommer.

Ein behaupteter Neutralitätsvorbehalt Österreichs ist im Übrigen im PESCO-Regelwerk nicht zu finden. Diese Behauptung ist auch schwer aufrechtzuerhalten, wenn Österreich sich aktiv an einem Bündnis beteiligt, das gemäß der deutschen Verteidigungsministerin „ein weiterer Schritt in Richtung Armee der Europäer“ sein soll.

Widerstand gegen neoliberale Interessen

PESCO ist ein groß angelegtes Projekt, die neoliberale Integration in der EU durch eine militärpolitische Komponente zu verteidigen und durch die innere Krise der EU hindurch zu retten. Die „Globale Strategie“ der EU von 2016 betont beispielsweise ausdrücklich den „Zugang zu natürlichen Ressourcen“ und die Verteidigung offener Märkte und globaler Handelsrouten. Bereits jetzt gibt es nicht wenige Auslandseinsätze der EU, bei denen Rohstoffsicherung eine Rolle spielen dürfte, wie am Horn von Afrika, im Tschad und im Kongo.

Widerstand gegen die Militarisierung der EU heißt auch, ihre neoliberale Ausgestaltung zu bekämpfen. Wenn wir also Gegenbewegungen stärken und wirkungsvollen Widerstand gegen die Militarisierung aufbauen wollen, sollten wir aus der Vergangenheit lernen. Weg von Single-Issue-Bewegungen hin zu Perspektiven und Alternativen, die die verschiedenen Dimensionen des autoritären Umbaus – ökonomische, militärische, geschlechterpolitische und ökologische – gemeinsam im Blick haben.

Zwischenziel: Ein PESCO-Austritt Österreichs

Die Mobilisierung in Österreich kann auf der Tradition von Neutralität und aktiver Friedenspolitik als Baustein auf dem Weg zu einem guten Leben für alle organisiert werden. Dazu führt kein Weg an einem Austritt Österreichs aus der Militärunion, also aus PESCO, vorbei. Das ist nicht nur für Österreich ein wichtiges Zwischenziel. Es ist zudem eine Basis für alternative Ansätze zur Militärunion und zur neoliberalen EU-Politik generell. Im besten Fall könnte diese Forderung strategische Brüche und Irritationen im Gefüge der EU erzeugen.

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