Bis 2020 sinkt der Körperschaftssteuersatz in Großbritannien auf 17 Prozent, das wurde bereits unter Premier Cameron beschlossen. Unter Theresa May könnte der Steuersatz laut Medienberichten noch weiter gesenkt werden.

Foto: AFP PHOTO / Justin TALLIS

Wien – Raus aus dem EU-Klub, rein in den Klub der Steuerparadiese für Unternehmen – so lässt sich der wirtschaftspolitische Plan der konservativen britischen Regierung interpretieren. Während bei Ersterem das Wie noch immer völlig unklar ist – derzeit wird über Möglichkeiten einer Übergangslösung bis zum formellen EU-Austritt beraten -, lässt Premierministerin Theresa May an Schritt zwei keinerlei Zweifel. Sie kündigte am Montag an, die Unternehmenssteuern auf den niedrigsten Satz der 20 wichtigsten Industrie- und Entwicklungsländer (G-20) zu senken.

Das Motiv: einerseits Unternehmen im Land zu halten, die nach dem Brexit-Votum mit Abwanderung drohen. Andererseits will man auch Unternehmen aus anderen Ländern anlocken.

Detaillierte Pläne nannte May nicht. Nach einem Bericht des "Daily Telegraph" will sie die Körperschaftssteuer aber auf unter 15 Prozent drücken. Derzeit liegt der Satz bei 20 Prozent. Von den 15 "alten" EU-Mitgliedern hat nur das in Sachen Steuerwettbewerb besonders offensive Irland einen geringeren Satz.

Schäuble warnt vor "ungesundem Wettlauf"

Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble von der ebenfalls zur konservativen Parteienfamilie gehörenden CDU hat Großbritannien bereits gewarnt, mit der massiven Absenkung bei Unternehmenssteuersätzen einen ungesunden Wettlauf auszulösen. Noch sei Großbritannien EU-Mitglied und daher an europäisches Recht gebunden, das Steuerdumping einschränkt. Und auch nach dem Austritt sei das Land an entsprechende Versprechungen beim G20-Gipfel von Antalya vor einem Jahr gebunden.

Dass der Steuerwettbewerb in Europa neu aufflammt, wird auch auf den Ausgang der US-Wahlen zurückgeführt. Unternehmenssteuern drastisch zu senken gehört zu Donald Trumps zentralen Wahlversprechen.

Diesseits des Atlantiks tat es ihm vor May auch schon Ungarns Regierungschef Viktor Orbán gleich. Er hat vergangene Woche angekündigt, die Körperschaftssteuer auf neun Prozent abzusenken – der niedrigste Satz in der EU.

Fahrstuhl nach unten

Schon in den vergangenen 20 Jahren sind die Gewinnsteuern in vielen Mitgliedsstaaten deutlich zurückgegangen (siehe Grafik). Im Durchschnitt der EU-15 sackte der Steuersatz in dieser Zeit von 38,0 auf 26,5 Prozent ab. Noch drastischer ist die Entwicklung bei jenen 13 Staaten, die im Zuge der EU-Osterweiterung neu dazugekommen sind. Hier ging der durchschnittliche Wert von 31,4 Prozent auf 18,5 Prozent zurück.

Entgegen manchen Erwartungen vor der Erweiterung haben sich die Steuersätze nicht an jene in Westeuropa angeglichen, erklärt Margit Schratzenstaller, Wifo-Steuerexpertin.

Krise sorgte für Stabilisierung

Zusätzlich lässt sich die Steuerlast in manchen Ländern mittels unterschiedlicher Absetzbeträge und Ausnahmen deutlich drücken. Nimmt man den effektiven Steuersatz als Maßstab, ist die Abwärtsdynamik nicht ganz so heftig wie beim nominalen. Der große Rückgang ist schon vor 2007 erfolgt, seitdem hat sich nicht allzu viel verändert. Laut Schratzenstaller ist das Stoppen der Abwärtsspirale vor allem auf die budgetären Probleme der Staaten infolge der Finanz- und Wirtschaftskrise zurückzuführen. Niedrige Steuersätze dürften demnach mit breiteren Bemessungsgrundlagen kompensiert worden sein.

Die EU-Kommission nimmt gerade einen neuen Anlauf, um diese Bemessungsgrundlage für Gewinnsteuern EU-weit zu vereinheitlichen. Selbst wenn das gelingt, dürfte die Dynamik des Steuerwettbewerbs laut Schratzenstaller aber wieder zunehmen: "Wenn Trump seine Steuersenkungspläne tatsächlich realisiert, wird der Druck sicherlich stärker. Dasselbe gilt für Initiativen gegen Gewinnverschiebung und unfairen Steuerwettbewerb." (Simon Moser, 21.11.2016)