Mehr als 100 französische Abgeordnete sind gegen das EU-Freihandelsabkommen mit Kanada vor das Verfassungsgericht ihres Landes gezogen. Euractiv Brüssel berichtet.
Befürworter des umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens versprechen, der Deal werde Wachstum und Arbeitsplätze auf beiden Seiten des Atlantiks schaffen. Kritiker hingegen befürchten eine Abwärtsspirale bei den Arbeits- und Umweltstandards. Sie warnen, multinationale Unternehmen könnten die öffentliche Politik bestimmen.
Das Abkommen lege nahe, dass die Unterzeichnerstaaten ihre Souveränität „über das vereinbarte Maß hinaus an die EU“ übertragen müssten, heißt es in einer Stellungnahme der 106 Abgeordneten der französischen Nationalversammlung. Unter ihnen Mitglieder der Grünen wie Cécile Duflot, Ex-Ministerin unter Premierminister Jean-Marc-Ayrault, ehemalige Sozialisten, Radikale und linksgerichtete Politiker der Front de gauche (der Linken Front).
Im Namen der NGO Foodwatch hatten drei Rechtsexperten, Laurence Dublin, Evelyne Lagrange und Dominique Rousseau, ein Dokument in Umlauf gebracht, dem zufolge CETA gegen die französische Verfassung verstoße.
Letzte Woche gab das Parlament CETA jedoch mit breiter Mehrheit grünes Licht. Ein Großteil der im Deal vorgesehenen Vorschriften wird somit vorläufig in Kraft treten. Insbesondere die Zölle können nun nach acht langen Verhandlungsjahren gesenkt werden.
14 Mitgliedsstaaten haben jedoch noch immer die Möglichkeit, einen Volksentscheid über das Abkommen einzuberufen. Die EU-Kommission erklärte CETA im Juli 2016 zu einem gemischten Abkommen, weshalb sowohl nationale als auch regionale Parlamente ihre Zustimmung geben müssen. Die Zusage der nationalen Parlamente steht noch aus, insbesondere die der streitlustigen Gesetzgeber im wallonischen Regionalparlament in Belgien.
CETA spalte vor allem die linke Mitte Europas, bestätigt VoteWatch.eu, eine Webseite, die das Wahlverhalten der Europaabgeordneten mitverfolgt. Besonders zwischen den EU-Parlamentsmitgliedern aus Deutschland und Frankreich, Europas treibenden Kräften, herrscht Uneinigkeit. Während sämtliche französischen Sozialisten gegen CETA stimmten, waren die Deutschen mehrheitlich für das Abkommen.
Noch hat nie ein Mitgliedsstaat ein Handelsabkommen aufgehalten, indem er dessen Ratifizierung verweigerte. CETA genießt jedoch weitreichende Aufmerksamkeit und löste in vielen EU-Ländern bereits Protestbewegungen aus. Daher fürchten nun einige, dass ein nationales Parlament den Deal doch noch kippen könnte.
Schon bevor es grünes Licht aus dem EU-Parlament gab, war klar gewesen, dass sich die belgische Regierung allen Erwartungen nach an den Europäischen Gerichtshof wenden und um ein Gutachten zur Rechtmäßigkeit des Abkommens bitten würde. Hauptkritikpunkt in diesem Zusammenhang sind die umstrittenen Investitionsgerichte. Sollte CETA letzten Endes scheitern, wird die Welt daran zweifeln, ob die EU überhaupt noch in der Lage ist, Handelsabkommen abzuschließen.