Klare Mehrheit für eine Vermögenssteuer – kleine Elite dagegen

21. Februar 2018

In unseren Lehrveranstaltungen fragen wir, nachdem wir die Daten zur sehr ungleichen Vermögensverteilung in Österreich präsentiert haben, was die Studierenden denn so denken: Sind die ÖsterreicherInnen für eine Besteuerung von hohen Vermögen? Meist glauben fast alle, dass es eine Mehrheit gegen Vermögenssteuern gibt. Doch alle Meinungsumfragen zeigen, dass eine satte Mehrheit die Einführung einer Abgabe auf Vermögen befürwortet.

Ist eine mehrheitliche Ablehnung der Vermögenssteuer rational?

Eine Ablehnung der Vermögenssteuer durch die breite Bevölkerung wäre auch paradox: Weil Vermögen so stark bei einer sehr kleinen Gruppe konzentriert sind, wären die meisten von Vermögenssteuern nicht betroffen und würden sogar potenziell profitieren – wieso sollten sie dann dagegen sein? Vermögenssteuern sind nicht nur gerecht, weil mit ihnen die Superreichen zur Finanzierung öffentlicher Leistungen beitragen; mit Vermögenssteuern wird der Besitzstand belastet, Leistung aus Arbeit könnte im Gegenzug entlastet werden.

Sogar aus einer individuellen, egoistischen Perspektive ist zu erwarten, dass die meisten Menschen für Vermögenssteuern sind: Weil sie selber keine zahlen würden, aber wegen der starken Konzentration an der Spitze der Verteilung dennoch relevante Beiträge zum Steueraufkommen möglich sind. Kennen also die Menschen die Fakten nicht? Sind sie von der Propaganda weniger Reicher so überzeugt, dass sie sich die Argumentation zu eigen gemacht haben?

Mehrheit will Steuern auf große Vermögen

Es stellt sich heraus: Es gibt kein Paradoxon. Der Fehler liegt in der Einschätzung der Mehrheitsmeinung. Tatsächlich gibt es in Österreich solide Mehrheiten für eine Steuer auf hohe Vermögen. Alle öffentlich verfügbaren Umfragen zeigen, dass eine absolute Mehrheit – in den meisten Umfragen sogar fast eine Supermehrheit von zwei Dritteln – Vermögenssteuern befürwortet. Diese Umfragewerte ziehen sich ohne klare Abweichungen durch alle Zeitungen und Meinungsforschungsinstitute. Die Menschen wissen anscheinend recht genau, wie ihre Interessenslage aussieht; sie identifizieren sich nicht fälschlicherweise mit den Reichen.

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Quellen: Format 2009, Österreich 2009, Presse 2010, Österreich 2011Kurier 2013, Profil 2013, Profil 2014, Trend 2014, Österreich 2014, Trend 2015, Volkshilfe 2016

Bei Vermögenssteuern gab es eine Kampagne der Interessensvertretungen von ArbeitnehmerInnen für mehr Gerechtigkeit. Mit wissenschaftlichen Arbeiten, breitenwirksamen Vorträgen und allgemein zugänglichen Informationen (Links WuGs, VA Piketty etc, auch Gewerkschaft, AK OÖ) wurde Aufklärung über die Fakten betrieben. Das hat offensichtlich Wirkung gezeigt und konnte auch durch gezielte Desinformation durch eine „Mittelstandskampagne“ von Industriellen oder irreführende Stimmungsmache nicht mehr ungeschehen gemacht werden.

Ähnliche Ergebnisse bei Erbschaften?

Auch über Erbschaftssteuern wurde in den letzten Jahren diskutiert, wenn auch nicht so intensiv wie über eine Vermögenssteuer. Nicht zuletzt sind auch die großen Erbschaften überwiegend bei wenigen sehr reichen Menschen konzentriert. Das zementiert die Ungleichheit über Generationen ein. Dennoch haben Erbschaftssteuern wegen des sensiblen Familien- und Todesthemas in der breiten Bevölkerung weniger Zustimmung erhalten als eine Vermögensabgabe. Die Meinungsumfragen sind bei diesem Thema somit weniger eindeutig. Zuletzt veröffentlichte aber das Profil im Juli 2017 eine Umfrage – zumindest hier ist eine absolute Mehrheit von 56 Prozent für eine Erbschaftssteuer.

Fazit: keine Angst vor den Eliten!

Damit stellt sich die Frage, warum sich die eindeutig mehrheitsfähige Forderung nach Vermögens- und Erbschaftssteuern im politischen Prozess nicht durchsetzt. Hier spielen die Macht und die Interessen einer kleinen Elite wohl eine zentrale Rolle, an technisch-administrativen Hindernissen scheitert es nämlich nicht.

Daraus kann man lernen: Die Bevölkerung steht bei so einem zentralen, breit diskutierten Thema auf einer eindeutig progressiven, faktenbasierten Position. Das Gefühl, in der Defensive zu sein, ist angesichts der breiten Unterstützung aus der Bevölkerung ein Irrtum. Wo es allerdings offensichtlich berechtigt ist, ist in Hinsicht auf eine kleine, aber lautstarke und vor allem finanzstarke Elite. Eine sachliche und fundierte Argumentation, die auch Interessensgegensätze klar ausspricht, steht bei Vermögenssteuern aufseiten der Mehrheit.