Mindestsicherung: Nach Wien kommt nun Kritik aus der Steiermark

Clemens Fabry
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Nach der Stadt Wien, die die Vorgaben der Bundesregierung nicht umsetzen will, üben weitere Institutionen scharfe Kritik an der Reform der Mindestsicherung: Darunter das Land Steiermark, die Bischofskonferenz und der Rechnungshof.

Als "echten Wahnwitz" bezeichnete der Wiener Sozialstadtrat Peter Hacker (SPÖ) die von der Regierung geplante Reform der Mindestsicherung am Donnerstag. Wien werde die Pläne nicht umsetzen. Doch nicht nur aus Wien, auch von anderen Institutionen hagelte es zu Ende der Begutachtungsfrist Kritik. Ein Überblick.

Bischöfe: "Kinderreichtum darf nicht bestraft werden"

Die Bischöfe appellieren in ihrer - von Generalsekretär Peter Schipka unterzeichneten - Stellungnahme an die Regierung, das Gesetz in dieser Form nicht zu beschließen. "Kinder dürfen nicht von vornherein ihrer Zukunftsperspektiven beraubt werden. Ebensowenig darf Kinderreichtum bestraft werden", heißt es wörtlich. Die Sozialhilfe als "letztes Auffangnetz" müsse ein menschenwürdiges Leben samt sozialer und kultureller Teilhabe ermöglichen. Das Grundsatzgesetz mit seinen Obergrenzen und geringem Spielraum für die Länder, regionale Gegebenheiten zu berücksichtigen, berge aber die "Gefahr der Nivellierung nach unten".

Steiermark hat verfassungsrechtliche Bedenken

Die Steiermark hat verfassungsrechtliche Bedenken - weil die Obergrenze für Wohnbeihilfen (samt Verbot des gleichzeitigen Bezugs mit der Sozialhilfe) auch privatwirtschaftliche Leistungen der Länder (Wohnbauförderung und -sanierung) betrifft. Außerdem lehnt das Land Verschlechterungen für Kinder, bei Wohnleistungen und für Behinderte ab. Die Bekämpfung und Vermeidung von Armut müsse weiterhin als Ziel verfolgt werden können - etwa indem die Länder Sonderzahlungen für Kinder (z.B. zu Schulanfang) gewähren können. Zudem wandte sich die Steiermark gegen eine Kostenverschiebung zulasten der Länder.

Rechnungshof: einheitliche Leistungsansprüche nicht sichergestellt

Der Rechnungshof begrüßt zwar, dass mit dem Grundsatzgesetz der Versuch der Harmonisierung unternommen wird. Aber der Entwurf räume den Ländern "großen und weitreichenden Spielraum" ein. Mit den Obergrenzen und möglichen Aufschlägen seien österreichweit einheitliche Leistungsansprüche für den Lebensunterhalt nicht sichergestellt, auch die Härtefall-Regelung berge das Risiko "höchst unterschiedlicher Auslegung und Umsetzung". Außerdem bemängelt der RH fest, dass die Angaben über die finanziellen Auswirkungen "unklar und nur bedingt nachvollziehbar" seien.

Behindertenrat: UN-Behindertenrechtskonvention würde verletzt

Auch der Behindertenrat kritisiert, dass es zu Ungleichheiten in den Ländern kommen kann. Damit würde aber die 2008 ratifizierte UN-Konvention über die Rechte von Menschen verletzt. Der Rat fordert einige Änderungen: So etwa die Einführung eigener "Bedarfsgemeinschaften" für Behinderte - denn sonst wäre die geplante Deckelung für diese oft in betreuten Wohngemeinschaften oder bei Verwandten lebenden Menschen problematisch. Zudem sollte der - als Kann-Bestimmung enthaltene - Behinderten-Zuschuss von 155 Euro monatlich verpflichtend sein. Und der geforderte Nachweis der Sprachkompetenz sei z.B. für Gehörlose nicht möglich, stellt der Behindertenrat fest.

(APA)

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