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Medizin

Herzstillstand: Weniger Hilfe für Frauen?

Frauen werden im Notfall seltener erfolgreich reanimiert als Männer

Herz
Wenn das Herz aufhört zu schlagen, zählt jede Sekunde. © Sergey Nivens/ iStock.com

Fataler Geschlechterunterschied: Frauen, die außerhalb des Krankenhauses einen Herzstillstand erleiden, haben geringere Überlebenschancen als Männer in dieser Situation. Dies legt nun eine Studie aus den Niederlanden nahe. Demnach waren die Überlebenschancen der weiblichen Patienten nur etwa halb so groß wie die der Männer. Eine mögliche Erklärung könnte die Wohnsituation gerade vieler älterer Frauen sein – aber auch die falsche Einschätzung von Symptomen, wie die Forscher berichten.

Ob durch einen Herzinfarkt oder Kammerflimmern: Wenn das Herz-Kreislauf-System zusammenbricht und das Pumporgan aufhört zu schlagen, zählt jede Sekunde. Denn nur durch eine schnelle Reanimation kann der Betroffene noch einmal ins Leben zurückgeholt werden. Im Krankenhaus sind die Chancen für eine erfolgreiche Wiederbelebung vergleichsweise gut. Kommt es Zuhause, im Büro oder unterwegs zum Herzstillstand, sieht die Sache allerdings anders aus.

Nachteil für das weibliche Geschlecht

In diesem Fall kommt es darauf an, dass möglichst schnell der Notarzt gerufen wird und der Patient in der Zwischenzeit von Laien versorgt wird. Doch wie gut klappt das? Dieser Frage sind nun Kardiologen um Hanno Tan von der Universität Amsterdam nachgegangen. Für ihre Studie werteten sie Daten von Herzstillständen aus, die sich zwischen 2006 und 2012 in den Niederlanden ereignet hatten. Von den 5.717 untersuchten Vorfällen hatten sich alle außerhalb der Krankenhausumgebung ereignet, in knapp einem Drittel der Fälle waren die Betroffenen Frauen.

Überraschenderweise zeigte sich bei den Auswertungen ein deutlicher Geschlechterunterschied – zu Ungunsten des weiblichen Geschlechts, wie die Mediziner berichten. Konkret ergaben die Analysen: Frauen wurden seltener von Augenzeugen reanimiert als Männer und überlebten somit auch die Fahrt ins Krankenhaus seltener. Auch die Überlebensrate nach der Einweisung war bei den weiblichen Probanden niedriger.

Im Notfall allein

Insgesamt lag die Chance für weibliche Patienten, nach einem Herzstillstand lebend aus der Klinik entlassen zu werden bei nur 12,5 Prozent. Bei den Männern aus der Stichprobe lag die Wahrscheinlichkeit dafür immerhin bei 20 Prozent. Sie war damit fast doppelt so hoch wie bei den Frauen. Wie die Wissenschaftler berichten, war das weibliche Geschlecht auch dann noch im Nachteil, wenn Einflussfaktoren wie Vorerkrankungen oder die Zeit zwischen Notruf und Ankunft des Rettungswagens herausgerechnet wurden.

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Wie lässt sich dieses Phänomen erklären? Tan und seine Kollegen haben gleich mehrere Vermutungen. Zum einen könnte die Lebenssituation der Betroffenen eine Rolle spielen: Aufgrund des demografischen Wandels gibt es immer mehr ältere Frauen und viele von ihnen leben allein – zum Beispiel, weil ihr Partner verstorben ist. Erleiden diese Frauen einen Kollaps in den eigenen vier Wänden, ist im schlimmsten Fall niemand da, der etwas davon mitbekommt.

Unspezifische Symptome

Eine weitere mögliche Erklärung: Eine der häufigsten Ursachen für einen Herzstillstand, der Herzinfarkt, äußert sich bei Frauen mitunter anders als bei Männern. „Männer leiden oft unter den typischen Brustschmerzen, während Frauen häufig auch über Atemnot, Erbrechen oder Nackenschmerzen klagen“, berichtet Tan. Vielen Menschen sei nicht bewusst, dass Herzinfarkte nicht nur Männer treffen und die Frauen selbst schätzten ihre Beschwerden möglicherweise falsch ein.

Zwar sind weitere Studien nötig, um die Ergebnisse der Forscher zu bestätigen. Tan und seine Kollegen plädieren aber schon jetzt dafür, dem von ihnen identifizierten Geschlechterunterschied entgegenzuwirken – zum Beispiel durch Aufklärungskampagnen oder den vermehrten Einsatz technischer Hilfsmittel. So könnten alleinlebende Frauen beispielsweise mit Geräten ausgestattet werden, die die Herzfunktion überwachen und im Notfall sofort Alarm schlagen. (European Heart Journal, 2019, doi: 10.1093/eurheartj/ehz297)

Quelle: European Society of Cardiology

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