Apple-Campus in Cork, Irland
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Apple-Steuerstreit

EU-Gericht kippt Forderung der Kommission

Im Streit über eine Rekordsteuernachzahlung von 13 Milliarden Euro für Apple in Irland hat die EU-Kommission eine Schlappe erlitten. Das EU-Gericht (EuG) in Luxemburg annullierte die Nachforderung der Kommission aus dem Jahr 2016, wie die Richter am Mittwoch mitteilten. Die Kommission sei fälschlicherweise davon ausgegangen, dass Apple unrechtmäßige Steuervergünstigungen erhalten habe, entschied das Gericht.

Das EuG erläuterte, dass die EU-Kommission zu Unrecht festgestellt habe, dass den Apple-Unternehmen Apple Sales International (ASI) und AppleOperations Europe (AOE) in Irland ein „selektiver ökonomischer Vorteil“ und damit im weiteren Sinne auch Staatshilfe gewährt worden sei. Zudem habe die Kommission geschlussfolgert, dass die irischen Steuerbehörden ASI und AOE Irland einen Vorteil verschafft hätten, indem sie Lizenzen für geistiges Eigentum des US-Konzerns nicht den irischen Töchtern zugeordnet hätten. Dem sei aber nicht so.

EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager hatte Apple im August 2016 aufgefordert, die Milliardensumme in Irland nachzuzahlen, weil das Land dem Konzern eine unzulässige Sonderbehandlung bei den Steuerkonditionen gewährt habe. Irland und Apple wehrten sich dagegen. Der Konzern betonte vor dem EuG, dass die Erträge der zwei irischen Tochterfirmen, um die es geht, vor allem in den USA zu versteuern gewesen seien. Deshalb sieht sich Apple doppelt zur Kasse gebeten.

Apple: Werte in USA geschaffen

Die Schlüsselfrage in dem Verfahren war, welcher Anteil des in Irland angesammelten Geldes in dem Land hätte versteuert werden müssen. Apple argumentierte, ASI sei lediglich für den Vertrieb von Geräten des Konzerns außerhalb Nord- und Südamerikas zuständig gewesen – während die eigentlichen Werte vor allem in den USA geschaffen worden seien.

„Das iPhone, das iPad, der App Store und alle anderen Produkte und Dienste von Apple wurden anderswo entworfen und entwickelt“, hieß es von Apple. Deswegen wäre es falsch, auf die Gewinne aus dem internationalen Geschäft, die sich in Irland ansammelten, Steuern in dem Land zu bezahlen. Irland habe deshalb zu Recht nur den Teil der bei den Tochterfirmen verbuchten Gewinne besteuert, die auf Aktivitäten in dem Land zurückgingen.

EuG: Argumente der Kommission unzureichend

Amerikanische Unternehmen konnten nach früheren US-Regelungen Auslandsgewinne außerhalb des Heimatlandes lagern. Bei einem Transfer in die USA wurden 35 Prozent Steuern fällig. Viele Firmen behielten deshalb das Geld im Ausland. Mit der seit 2018 greifenden Steuerreform wurde eine Zahlung auf die Auslandsreserven mit deutlich niedrigeren Sätzen fällig – unabhängig davon, ob sie in die USA gebracht werden oder nicht.

EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager
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Vestager muss eine Niederlage einstecken

Apple zahlt an den US-Fiskus nahezu 38 Milliarden Dollar Steuern (rund 33 Mrd. Euro) auf den im Ausland angesammelten Geldberg von 252 Milliarden Dollar (221 Mrd. Euro). Davon entfielen nach Angaben des Unternehmens 21 Milliarden Dollar Steuern (18 Mrd. Euro) allein auf die Gewinne, um die es der EU-Kommission geht.

Die Kommission bestreitet zwar nicht, dass ein Großteil des intellektuellen Eigentums bei Apple in den USA entstehe. Allerdings habe die irische Steuerbehörde nicht die notwendigen Analysen des gesamten Geschäfts der Apple-Töchter durchgeführt, um begründet entscheiden zu können, welcher Anteil der Gewinne wo versteuert werden sollte. Die Richter bemängelten zwar, dass Apples damalige Steuervereinbarungen nur unzureichend dokumentiert worden seien – befanden die Argumente der Kommission aber nicht für ausreichend.

Niederlage für Vestagers Prestigeprojekt

Für die EU-Kommission bedeutet der politisch aufgeladene Konflikt eine wichtige Weichenstellung in ihrem jahrelangen Ringen mit diversen Mitgliedsstaaten um Steuervergünstigungen für Unternehmen. Es ist gut möglich, dass der Fall nun in die nächste Instanz beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) geht.

Bei dem Streit geht es nicht nur um viel Geld. Für die in Europa oft gefeierte Kommissarin Vestager war der aufsehenerregende Fall ein Höhepunkt ihrer bisherigen Laufbahn, doch fuhr sie jetzt eine Niederlage ein. Zudem könnte der Fall für weiteren Zündstoff im Streit zwischen den USA und Europa über die Besteuerung amerikanischer Unternehmen sorgen. Und für Apple geht es auch um den Ruf: Der Konzern will nicht als Steuerflüchtling und Trickser dastehen.

Apple und Irland begrüßen Urteil

Apple betonte nach dem EuG-Urteil, dass es nicht darum gehe, „wie viel Steuern wir zahlen, sondern wo von uns verlangt wird, sie zu zahlen“. Apple sei stolz darauf, „der größte Steuerzahler auf der Welt“ zu sein, erklärte ein Sprecher gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Der Konzern sei sich der „wichtigen Rolle“ bewusst, die Steuerzahlungen in der Gesellschaft spielten.

Im vergangenen Jahrzehnt habe Apple mehr als 100 Milliarden Dollar (umgerechnet derzeit rund 88 Mrd. Euro) an Körperschaftsteuern gezahlt und Milliarden an weiteren Steuern. Das irische Finanzministerium begrüßte die Gerichtsentscheidung ebenfalls und betonte, es habe keine Sonderbehandlung für die beiden Apple-Firmen gegeben.

Kritik an internationalen Steuerregeln

Die globalisierungskritischen NGO Attac in Wien kritisierte nach dem Urteil in einer Aussendung, dass das europäische Wettbewerbsrecht kein geeignetes Mittel sei, um die „Steuertricks“ von Unternehmen zu bekämpfen. „Das Problem sind die faulen und löchrigen internationalen Steuerregeln. Sie stammen großteils aus den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts und ermöglichen es, dass Fälle wie Apple die Regel sind“, kritisierte David Walch von Attac Österreich.

Um das zu vermeiden, schlägt die NGO öffentliche Finanzberichte für Konzerne vor. Damit Konzerne ihre Gewinne dort versteuern, wo sie wirtschaftlich tätig sind, benötige es zudem eine Gesamtkonzernsteuer ergänzt durch einen Mindeststeuersatz, so die Forderung. Dabei würden Konzerntöchter auf Basis des global erzielten Gewinns eines Konzerns besteuert. Dieser Gewinn würde je nach realer Wertschöpfung anteilig auf Länder aufgeteilt und dann entsprechend besteuert. „Die Gewinnverschiebungen zwischen Konzerntöchtern hätten damit ein Ende“, so Attac und beruft sich darauf, dass renommierte Ökonomen wie Joseph Stiglitz und Thomas Piketty diese Forderung unterstützen würden.

Steuerexpertin Tove Ryding von der NGO Eurodad erklärte unterdessen, die Gerichtsentscheidung im Fall Apple demonstriere, wie schwierig es sei, die EU-Regeln zu Staatshilfen für Steuererhebungen zu nutzen. „Wenn wir ein angemessenes System zur Unternehmensbesteuerung hätten, würden wir nicht mehr Gerichtsverfahren brauchen, um herauszufinden, ob es für multinationale Konzerne legal ist, weniger als ein Prozent Steuern zu zahlen.“

Pläne gegen Niedrigsteuerländer

Überdies plant die EU-Kommission der „Financial Times“ („FT“) zufolge ein Paket, mit dem der Steuerwettbewerb zwischen EU-Staaten deutlich eingeschränkt werden soll. Dem Blatt zufolge, das sich auf namentlich nicht genannte Vertreter der Kommission beruft, sind die Pläne noch in einem sehr frühen Stadium. Ziel wäre es aber, bestimmte nationale Steuerregelungen als Wettbewerbsverzerrung und damit als Verstoß gegen den Binnenmarkt zu deklarieren.

Steuerangelegenheiten werden von den Nationalstaaten allerdings aufs Heftigste verteidigt. So scheitert auch ein einheitliches Mehrwertsteuersystem seit Jahrzehnten – und das, obwohl die Staaten durch den „Karussellbetrug“ um Dutzende Milliarden Euro jährlich betrogen werden.

Folgen für Verfahren von Ikea, Nike und Co.?

Eine rasche Umsetzung ist damit jedenfalls ausgeschlossen. Allerdings würden die EU-Pläne keine Einstimmigkeit vorsehen, da im Bereich des Binnenmarkts diese seit Langem aufgehoben ist. Einzelne Länder könnten diese also nicht mit einem Veto verhindern. Die EU möchte laut „FT“ zudem einen neuen Anlauf zu einer EU-weiten Digitalsteuer nehmen. Versuche in den letzten Jahren, die in diese Richtung gingen – auch von Österreich stark unterstützt –, sind bisher immer gescheitert. Das Apple-Gerichtsurteil des EuG ist das jüngste Beispiel.

Das Luxemburger Urteil dürfte auch noch laufende Verfahren gegen Steuerdeals von Ikea und Nike in den Niederlanden sowie Huhtamaki in Luxemburg beeinflussen. Bereits im vergangenen Jahr hatte das EU-Gericht Vestagers Ambitionen einen Strich durch die Rechnung gemacht, als es eine Steuernachforderung an Starbucks kippte. Vestager will das Apple-Urteil nun eingehend analysieren, bevor sie über die nächsten Schritte entscheiden will. Die EU-Kommission werde aber weiterhin Steuerpraktiken auf illegale Staatshilfen überprüfen, teilte sie mit.

„Die Kommission steht voll und ganz hinter dem Ziel, dass alle Unternehmen ihren gerechten Anteil an Steuern zahlen sollten“, hielt Vestager nach der Urteilsverkündung fest. „Wenn die Mitgliedsstaaten bestimmten multinationalen Unternehmen Steuervorteile gewähren, die ihren Konkurrenten nicht zur Verfügung stehen, beeinträchtigt dies den fairen Wettbewerb in der EU“, kritisierte sie. Das entziehe der öffentlichen Hand und den Bürgern auch Mittel für dringend benötigte Investitionen. Der Bedarf daran sei in Krisenzeiten noch größer.