Smart Parking Smarte Sensorik gegen den Parkplatzfrust
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Die Parkplatzsuche in der Stadt kostet häufig Zeit, Sprit und Nerven. Ein Aachener Startup hat eine intelligente Sensorlösung entwickelt, die den innerstädtischen Parkraum digitalisieren kann, ohne dass eine aufwendige Installation nötig ist.
Im Entladebereich eines Recyclinghofes in Duisburg ist Samstagnachmittag viel los. Die Bürger stellen ihre Autos in markierten Zonen ab und entsorgen ihre Abfälle in entsprechenden Containern. Das hat allerdings auch einen Haken: Sind alle Stellplätze in der Entladezone belegt, bildet sich ein Rückstau quer über das Gelände des Hofs. Doch das hat sich jetzt geändert.
Überkopf-Sensorik für die Parkplatzsuche
Laut einer Kundenbefragung der Wirtschaftsbetriebe Duisburg ist die Wartezeit eines der größten Ärgernisse auf Wertstoffhöfen. Optische Sensoren schaffen hier jetzt Abhilfe: Das Aachener Startup S O NAH hat auf einem der Duisburger Recyclinghöfe vier optische Sensoren sowie einen Umweltsensor an Laternenmasten installiert. Die Überkopf-Sensoren erfassen alle Fahrzeuge auf dem dreispurigen, 50 Meter langen Anfahrtsweg sowie den 30 Entladezonen. Ein Algorithmus in der integrierten Sensorplattform ermittelt Auslastung und Entladedauer. Der Umweltsensor misst Temperatur und Niederschlag, um eine Korrelation zwischen Wetter und Besucherzahl herzustellen. Aus diesen Daten, sowie der zuvor gemessenen Zeit vom Einfahren auf den Hof bis zur Einlasskontrolle, ermittelt eine Software die voraussichtliche Wartezeit für freie Stellplätze auf dem Wertstoffhof. Die Wirtschaftsbetriebe stellen den Duisburger Bürgern diese Info anschließend per App und auf ihrer Website zur Verfügung. Stau auf dem Recyclinggelände soll so der Vergangenheit angehören.
Cloud-only-Ansatz
IIoT-Sensor schickt per Mobilfunk Daten schnell und einfach in die Cloud
Intelligente Sensoren statt Infrarot
Um Zeitersparnis geht es auch beim Haupteinsatzgebiet des Sensorensystems: Es soll helfen, den Parksuchverkehr in den Innenstädten zu reduzieren.Verkehrsexperten haben errechnet, dass Autofahrer in deutschen Städten jedes Jahr durchschnittlich 41 Stunden ihrer Lebenszeit mit der Suche nach einer Parklücke vergeuden. Schätzungen zufolge entfallen allein 30 Prozent des innerstädtischen Verkehrs auf die Parkplatzsuche. Die Folge: genervte Autofahrer, unnötiger Spritverbrauch sowie höhere Abgas-, Feinstaub- und Lärmbelastung in der Stadt.
Smart-Parking-Lösungen können helfen, die Probleme zu beseitigen. Mittels vernetzter Sensorik ermitteln sie freie Parkplätze in der Stadt und stellen diese Infos Autofahrern per Mobilitäts-App zur Verfügung. Das Videosystem etwa lässt sich per Plug-and-play an Häuserfassaden, Straßenlaternen oder Ampelmasten anbringen. Dank dieser Überkopf-Bauweise kann ein einziger Sensor – je nach Anbringungshöhe, Winkel und Blickrichtung – bis zu 50 Stellplätze abdecken. So ist das System auch unabhängig von der Bodenbeschaffenheit, im Gegensatz zu den häufig verbauten Infrarotsensoren, die auf die Parkfläche geklebt, geschraubt oder in den Asphalt eingelassen werden müssen. Zum Problem wird diese Vorgehensweise beispielsweise bei einem Kopfsteinpflaster in einer historischen Innenstadt.
Smart City
Sensoren gegen den Parkplatzfrust: Parkraumbewirtschaftung mit System
Schonende Nachrüstung der bestehenden Infrastruktur
Das gesamte System lässt sich per Retrofit nachrüsten, ein bleibender Eingriff in die Verkehrsinfrastruktur ist somit nicht nötig. Alternativ sind die Sensoren auch als Embedded System einsetzbar: fest integriert in Straßenlaternen oder Deckenleuchten im Parkhaus, inklusive energiesparender LED-Lampen. Die Genauigkeit der Erfassung liegt laut dem Unternehmen bei 97 bis 99 Prozent je nach Einsatzzweck. Es lassen sich sowohl markierte als auch unmarkierte Parkplätze digitalisieren. Für SUV-Fahrer interessant: Die App zeigt dem Nutzer auch übergroße Parkplätze an.
Um Objekte, Farben und Formen zu erkennen, wurden zudem intelligente Auswertungsalgorithmen entwickelt. Diese Algorithmen laufen direkt auf der integrierten Sensorplattform und werten die Kameradaten in Echtzeit aus. Anschließend funkt das System via 2G- oder LTE-Mobilfunk datenschutzkonform nur noch die Metadaten wie etwa die aktuelle Parkplatzbelegung in die Cloud. So entsteht ein digitales Abbild vom urbanen Raum, ohne die Privatsphäre der Bürger einzuschränken.
Parkraum effektiv nutzen und neue Einnahmen generieren
Auf einer entsprechenden Cloudplattform werden die Metadaten mittels Machine Learning ausgewertet. Das Aachener Unternehmen wird unterstützt von TechBoost, dem Startup-Programm der Deutschen Telekom. Zur Unterstützung gehört auch ein Guthaben für die Nutzung der Open Telekom Cloud. Sie bietet Schutz vor Cyberangriffen; alle Daten werden zudem DSGVO-konform auf deutschen Servern gehostet. Dank skalierbarer IT-Ressourcen lassen sich in dieser Cloud-Umgebung komplexe Algorithmen bis zu zehnmal schneller trainieren. So zeigt die Analytik-Software beispielsweise an, welche Straßen im vergangenen Quartal Park-Hotspots waren, wie sich die mittlere Parkdauer auf bestimmten Flächen verändert hat oder welche Parkplätze an welchen Wochentagen voll belegt waren. Die Ergebnisse lassen sich in die Systeme öffentlicher und privater Parkraumbetreiber oder in Parkleitsysteme übernehmen. Dadurch wird es möglich, etwa Parkkonzepte zu optimieren oder die Auslastung der Parkflächen in der Stadt besser zu verteilen. Denn werden Parkplätze effektiver genutzt, steigen auch die Einnahmen für den Betreiber. Und durch die Kombination von historischen, offenen und sensorgestützten Daten können Verkehrsplaner Vorhersagemodelle erstellen. Das Ziel ist es, Städten und Unternehmen durch den Zugriff auf intelligent aufbereitete Sensordaten eine Möglichkeit bieten, Parkraum einfach, nachhaltig und ressourcenschonend zu digitalisieren.
Sensorik
Sensoren helfen bei der Beatmung von Intensivpatienten
Die Zukunft der Parkplatzsensoren
Autofahrer in der Stadt sollen künftig per Parkplatz-App oder Navi freie Stellflächen finden und so Zeit, Sprit und Nerven für die Parkplatzsuche verringern. Auch die CO2-Belastung, Verkehrsaufkommen und der Lärm in der Stadt soll sinken. Die Einsatzgebiete der Lösung sind vielfältig, auch da sich der Funktionsumfang durch Softwareupdates oder zusätzliche Sensoren erweitern lässt:
- Firmenparkplätze und Parkhäuser überwachen
- Wartezeit von Zufahrten und Parkflächen errechnen
- Fahrzeuge zählen und die Auslastung von Parkzonen ermitteln
- Verstöße erfassen (Parken in zweiter Reihe, auf Ladezonen, an Bushaltestellen, auf Straßenbahnschienen)
- Freie Ladesäulen für Elektrofahrzeuge anzeigen (inklusive möglicher Abrechnung per Nummernschilderfassung)
- Helligkeit von Straßenlaternen je nach Verkehr regulieren
- Feinstaubbelastung in der Stadt messen
Für die Zukunft ist ein Entwickler-Appstore für alle Arten von Smart-City-Sensoren in Planung, etwa zur Messung von Umweltfaktoren wie Luftqualität, Temperatur und Niederschlag oder für Bewegungsdetektion und Diebstahlschutz.
* Rainer Schlösser ist ITK-Redakteur in Köln.
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