MAN Steyr Lkw
FOTOKERSCHI.AT / KERSCHBAUMMAYR
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Wirtschaft

MAN: Steyr droht Verkauf oder Schließung

Schlechte Nachrichten für die Beschäftigten des MAN-Werks im oberösterreichischen Steyr: Der deutsche Lkw-Hersteller hat seinen Jobabbaustreit mit dem Betriebsrat offenbar auf Kosten der Beschäftigten in Steyr beigelegt.

Der Kahlschlag in Deutschland fällt nämlich geringer aus als geplant, doch stehe das Werk in Steyr mit 2.200 Mitarbeitern zur Disposition, hieß es am Dienstag von MAN. „Hier prüft der Vorstand alle Optionen inklusive eines Verkaufs oder einer Schließung.“

Jobabbau in Deutschland geringer als geplant

Laut der Vereinbarung zwischen MAN und dem Betriebsrat sollen bis Ende des kommenden Jahres 3.500 Jobs in Deutschland gestrichen werden, der Abbau solle so sozialverträglich wie möglich erfolgen. Traton-Chef Matthias Gründler und MAN-Chef Andreas Trostmann hatten ursprünglich 9.500 der weltweit 36.000 Arbeitsplätze streichen wollen, vor allem in Deutschland und Österreich.

Warnstreik in Steyr

MAN hatte mit 30. September 2020 die Beschäftigungssicherungs- und Standortverträge für die Werke in Steyr und auch in Deutschland aus wirtschaftlichen Gründen gekündigt. In Steyr hatte man sich gegen die Schließungspläne auch mit politischer Unterstützung vehement gewehrt und auf die Profitabilität des Standortes verwiesen. Mit einem Warnstreik hatten die Beschäftigten des MAN-Werkes in Steyr im Oktober 2020 ein deutliches Zeichen im Kampf um ihre Arbeitsplätze gesetzt. 2.300 Jobs wären direkt von einer Schließung des Werkes betroffen und Tausende mehr bei Zulieferern. Laut Betriebsrat waren mindestens 4.000 Personen an den Protesten beteiligt.

Warnstreik bei MAN Steyr
ORF/Thomas Psutka
Die MAN-Mitarbeiter bei ihrem Protestmarsch in Steyr

Betriebsrat klagte MAN

Im Streit über den Abbau von 9.500 Arbeitsplätzen zog der Betriebsrat gegen das Unternehmen vor Gericht, weil die Kündigung der Standorts- und Beschäftigungssicherungsverträge unrechtmäßig sei. Ein Recht zum vorzeitigen Ausstieg aus dem Vertrag, der für die Zeit bis 2030 geschlossen wurde, habe das Management nur bei einem Markteinbruch von mehr als 40 Prozent. Ein solcher Rückgang sei nach Auffassung des Betriebsrats trotz der aktuellen Krise nicht zu erkennen. „Damit ist die Kündigung unwirksam“, sagte Betriebsratschef Saki Stimoniaris im November 2020. Ein Termin vor dem Arbeitsgericht München war für den 12. Jänner anberaumt.

Einigung mit Betriebsrat

Doch der deutsche Lkw-Hersteller hat seinen Jobabbaustreit mit dem Betriebsrat jetzt offenbar beigelegt. Nun soll der MAN-Standort Wittlich in Rheinland-Pfalz verkleinert werden, dem Unternehmen aber erhalten bleiben. Die Werke im sächsischen Plauen (150 Mitarbeiter) und Steyr (2.300 Mitarbeiter) stünden aber „zur Disposition“, hieß es von MAN. Ursprünglich hatte MAN etwa 5.600 Stellen im Lkw-Werk München, im Dieselmotorenwerk Nürnberg und im Komponentenwerk Salzgitter abbauen wollen.

Schwarz: Erhalt muss auch in Österreich möglich sein

Die Vereinbarung zwischen MAN und dem Gesamtbetriebsrat, bis Ende des kommenden Jahres 3.500 Jobs in Deutschland zu streichen, während der Verkauf oder die Schließung des Werks in Steyr vom Vorstand weiter geprüft werde, wird vom dortigen Arbeiter-Betriebsrat nicht als Hiobsbotschaft gesehen. „Was in Deutschland möglich ist, muss auch in Österreich möglich sein“, meinte Betriebsrat Erich Schwarz am Dienstag zur APA.

Dass an der Option, das Werk in Steyr mit seinen 2.300 Mitarbeitern bis Ende 2023 aufzugeben, festgehalten wurde, zeige nur, dass die Verhandlungen mit Österreich noch nicht abgeschlossen seien. In den nächsten Tagen und Wochen wolle er mit der Gewerkschaft versuchen, eine genauso „sozial verträgliche Lösung“ zu finden. Ohne einen Stellenabbau werde es auch in Steyr nicht gehen, stellte er jedoch am Dienstag klar. Oberstes Ziel sei es, das Werk zu erhalten.

Achleitner: Keine betriebsbedingten Kündigungen

Auch Oberösterreichs Wirtschaftslandesrat Markus Achleitner (ÖVP) ist der Ansicht, dass die Eckpunkte der Münchner Vereinbarung zwischen Konzernführung und Belegschaftsvertretung für das Werk in Steyr gelten müssen. „Einsparungen Ja, Erhalt des Standorts Ja, betriebsbedingte Kündigungen Nein. Der Standort Steyr kann und soll bei der angestrebten Neuausrichtung des Konzerns in Richtung Zukunftstechnologien eine wichtige Rolle spielen“, betonte der Landesrat. Einmal mehr verwies er darauf, dass in Steyr „immer Gewinne geschrieben“ wurden.

Staatliche Wirtschaftskommission kommt zum Einsatz

Weiters erklärte er, dass sich auch die Staatliche Wirtschaftskommission mit dem Fall befasse. Diese auf Bundesebene verankerte Schlichtungsstelle komme bei übergeordneten Wirtschaftsinteressen zum Einsatz, wenn in einem Betrieb zwischen Firmenleitung und Belegschaft keine Einigung erzielt werden kann.

„Das MAN-Management muss vor der Staatlichen Wirtschaftskommission darlegen, welche Restrukturierungsschritte für eine positive Zukunft des Standorts Steyr vorgesehen sind“. Bei Personalkosten von 14 Prozent könne „ein reines Kosten-Cutting und Verlagerung ins Ausland kein erfolgsversprechender Weg“ sein. Die nächste Kommissionssitzung werde am 3. Februar mit „physischer Anwesenheit aller Teilnehmer in Linz stattfinden“, so Achleitner.

„Es gibt einen Standortvertrag zum MAN-Werk in Steyr und wir verlangen, dass dieser auch eingehalten wird“, stellte oö. Arbeiterkammer-Präsident Johann Kalliauer klar.

Neuausrichtung bei MAN

Unter dem Druck der EU-Klimavorgaben soll MAN völlig neu ausgerichtet und zu einem „führenden Nutzfahrzeughersteller im Bereich Elektro- und Wasserstoffantriebe“ umgebaut werden. Das nun vereinbarte Eckpunktepapier sieht „eine Neuaufstellung des Entwicklungs- und Produktionsnetzwerks mit einem starkem Fokus auf Zukunftstechnologien“ vor. Die Vereinbarung dient als Grundlage für Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen, die in diesem Jahr abgeschlossen werden sollen.

Der Stellenabbau soll sozialverträglich erfolgen. MAN schwächelt schon seit Jahren. Die EU-Klimavorgabe, bei Lastwagen bis 2025 um 15 Prozent und bis 2030 mindestens 30 Prozent weniger Kohlendioxid auszustoßen, erhöht den Druck. Dazu kommt zurzeit die Coronavirus-Krise. Der Betriebsrat hatte die ursprünglichen Pläne zum Stellenabbau als „Kahlschlag“ bezeichnet und war vor Gericht gegangen. Der Vorstand hatte sie als notwendige Restrukturierung bezeichnet, um mit dem eingesparten Geld in alternative Antriebe und Digitalisierung investieren zu können.

Haimbuchner: Versagen der Bundesregierung

Landeshauptmannstellvertreter Manfred Haimbuchner (FPÖ) sieht in einer möglichen Schließung des Steyrer MAN-Werkes ein „Totalversagen der Bundesregierung“. Er möchte von Bundeskanzler Sebastian Kurz und Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (beide ÖVP) wissen, was sie in den vergangenen Monaten getan haben, um diesen Standort abzusichern.

Gerstorfer fordert Schulterschluss

Die SPÖ sprach von „einem harten Schlag gegen den Industriestandort Oberösterreich zur denkbar schlechtesten Zeit“. Landesrätin Birgit Gerstorfer appellierte „erneut an Land und Bund, sich für eine Jobgarantie und den Erhalt der Arbeitsplätze dieser Menschen einzusetzen.“

Grüne: Schließung nicht nachvollziehbar

Die Grüne Wirtschaftssprecherin Ulrike Schwarz sagt, das Know-how für Zukunftstechnologien sei vor allem in Steyr sehr groß, warum dafür also nicht dieser Standort genutzt wird, sei völlig unverständlich. Eine Schließung wäre kurzsichtig und nicht nachvollziehbar, so Schwarz.

NEOS: „Oberösterreich braucht Reformen“

NEOS-Landessprecher Felix Eypeltauer forderte Reformen für Beschäftigung sowie für den Wirtschaftsstandort Oberösterreich. Die Bundesregierung müsse endlich liefern, und Landeshauptmann Thomas Stelzer habe die Verantwortung, diese für Oberösterreich einzufordern, so Eypeltauer. Bereits im September des vergangenen Jahres habe das Land OÖ den betroffenen Beschäftigten Unterstützung zugesichert, diese müsse jetzt tragend werden, so der NEOS-Landessprecher.