News

Covid-19-Patente töten: Attac-Protest vor dem Bundeskanzleramt – BILD

Vor WTO-Sitzung: EU muss dem Aussetzen der Patentrechte endlich zustimmen

Am 10. und 11. März schließen die Mitglieder der Welthandelsorganisation (WTO) ihre Beratungen ab, ob sie die Patentrechte für unentbehrliche Covid-19-Medikamente, Impfungen und medizinische Produkte (wie Masken, Tests oder Beatmungsgeräte) in der Pandemie aussetzen. Doch seit Monaten wird ein entsprechender Vorschlag Indiens und Südafrikas von reichen Ländern – inklusive der EU und Österreich – blockiert.

Aktivist*innen des globalisierungskritischen Netzwerks Attac haben daher gestern Abend mit einer Fotoaktion vor dem Bundeskanzleramt die Bundesregierung aufgefordert, dem Aussetzen der Patentrechte in der WTO endlich zuzustimmen:

Patente töten

FOTOLINK zur Aktion: „Patente töten“

„Patentrechte verhindern, dass Menschen auf der ganzen Welt rasch mit notwendigen und leistbaren Medikamenten, Impfstoffen und medizinischen Produkten versorgt werden können. Reiche Staaten müssen daher endlich einen Wissens- und Technologietransfer ermöglichen, damit alle Staaten rasch und kostengünstig alles Nötige zur Bekämpfung der Pandemie herstellen können“, fordert Iris Frey von Attac Österreich.

Zusätzlich fordern heute 44 internationale Organisationen, darunter Attac, die EU und die Mitgliedsstaaten in einem offenen Brief auf, ihre Blockade in der WTO endlich zu beenden.

Attac kritisiert Kurz: Transparente Produktion statt geheimer Deals mit Konzernen

Attac kritisiert auch die Strategie von Bundeskanzler Sebastian Kurz den heimischen Pharmakonzernen wie Pfizer, Novartis, Polymun oder Böhringer hinter verschlossenen Türen lukrative Aufträge zuzuschanzen. „Diese kurzsichtige Strategie reiht sich in den Impfstoffnationalismus vieler Länder ein und verlängert die Dauer der Pandemie. Damit Menschen weltweit rasch eine Impfung erhalten können, braucht es eine transparente patentfreie Produktion unter öffentlicher Kontrolle statt geheimer Deals, die Pharmakonzernen astronomische Profite sichern“, erklärt Frey.

Menschen vor Profite: Medikamente als globale Gemeingüter definieren

 

Lebensnotwendige Medikamente müssen generell als globale Gemeingüter der Menschheit definiert werden, fordert Attac. Denn das Patentsystem führt dazu, dass sich die Erforschung und Produktion von medizinischen Produkten nach der Logik der Gewinnmaximierung und nicht nach dem Bedarf richtet. Lebensrettende Medikamente werden deshalb zu wenig produziert, nicht gerecht verteilt und teurer verkauft als notwendig. Medikamente für Krankheiten, von denen Millionen Menschen betroffen sind, werden zudem nicht erforscht, wenn keine kaufkräftigen Abnehmer*innen dahinterstehen.

Hintergrund:

 

Patente sind durch das sogenannte TRIPS-Abkommen (Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights) der WTO geschützt. Es sorgt dafür, dass auch jene Medikamente hochpreisig gehalten werden, deren Entwicklung – wie im Falle der Corona-Impfstoffe – großteils auf öffentlich finanzierter Forschung basiert.

Gegenwärtig wird zu wenig Impfstoff produziert. Patentrechte sind neben fehlenden Produktionskapazitäten ein wesentlicher Grund für diese Situation. Viele Länder haben schlichtweg nicht genug finanzielle Mittel, um die festgelegten Preise bezahlen zu können, und es sind dringend größere Produktionsmengen nötig, um eine rasche Versorgung für alle sicherstellen zu können. Auch die Verteilung der Impfstoffe ist höchst ungerecht: Bereits über 70 Prozent der 2021 voraussichtlich verfügbaren Impfstoffe haben Länder des globalen Nordens für sich reserviert. Das führt dazu, dass in 70 armen Ländern heuer nur jede*r Zehnte geimpft werden kann.

Schon vor 20 Jahren kam es in der WTO zu einer Auseinandersetzung zwischen den Entwicklungsländern über die Frage von Medikamenten gegen HIV/AIDS, die durch Regeln im TRIPS-Abkommen für Millionen infizierte Menschen unerreichbar gemacht wurden. Durch breite Proteste und den Widerstand der Länder im Globalen Süden wurden die reichen Länder schließlich zum Einlenken gezwungen.

Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema finden Sie auch auf dieser Seite von Ärzte ohne Grenzen.