MAN Steyr: Wie der Umbau funktionieren kann

Nachdem sich die Belegschaft von MAN Steyr erfolgreich gegen die Übernahme durch Siegfried Wolf gewehrt hat, steht das Werk vor dem Aus. Der VW-Konzern, in dessen Eigentum MAN steht, dreht weiter an der Eskalationsspirale. Leiharbeiter*innen wurden gekündigt, der ehemalige Vorsitzende des Arbeiter*innenbetriebsrates wurde ausgesperrt. Was jetzt notwendig ist, damit ein sozialer und ökologischer Umbau funktionieren kann, erklärt Iris Frey. 

MAN Steyr ist ein weiteres Beispiel dafür, wie in der Corona-Krise multinationale Konzernen entscheiden, dass ein Betrieb zusperren muss, weil es woanders billiger ist. Es ist diese Orientierung an Profiten und die immense Macht solcher multinationaler Konzerne, die die Klimakrise immer weiter anheizt und zugleich das Leben von Arbeiter*innen und ganzen Regionen zerstört.

Die Schließung von Industriebetrieben ist für die Regionen in Österreich oft dramatisch, das gilt umso mehr als die Industrie in Österreich nach wie vor eine zentrale wirtschaftliche Stellung hat. Zusammen mit allen vor- und nachgelagerten Tätigkeiten macht sie ungefähr die Hälfte der Wertschöpfung aus. 

Kampf um Steyr

Seitdem MAN die Schließung des Standorts Steyr angekündigt hat, ist klar, dass weder von Staat noch Kapital derzeit viel zu erwarten ist. Die türkis-grüne Regierung fährt in der Krise die Strategie, Konzerne und Unternehmen mit hohen Hilfszahlungen durch die Krise zu retten – ohne nennenswerte Sozial- und Umweltauflagen, dafür gegen lauwarme Versprechungen zur Standortsicherung. Die mit hunderten Millionen Euro gerettete AUA ist das beste Beispiel dafür. Trotz üppiger Staatshilfen zerstört sie weiter das Klima und baut dennoch Stellen ab. So verlieren alle, außer die Konzerne.

Aber auch die Hoffnung auf einen rettenden Investor ist nicht vielversprechend. Der Vorschlag rund um das Konsortium des Unternehmers Karl Eggers für ein “Green Mobility Center Steyr”, wo Elektro-LKWs gebaut werden sollen, ist erstens unrealistisch und auch aus Klimagerechtigkeitsperspektive ein Flop: Elektromobilität ist ungeheuer ressourcenintensiv – bis auf einige wenige sinnvolle Anwendungsbereichen für Elektromobilität, beispielsweise im öffentlichen Verkehr, im städtischen Gewerbeverkehr oder für die “letzte Meile” darf sie daher das derzeitige Auto-fokussierte Mobilitätssystem gar nicht vollständig ersetzen.

Die SPÖ möchte dagegen eine staatliche Minderheitenbeteiligung am Konzern – damit die Übernahme für potenzielle Investoren profitabler wird. Fraglich ist im Fall einer Beteiligung allerdings auch, ob überhaupt Steuerung gewollt ist, denn die bräuchte es dringend. Die OMV an der der Staat ebenfalls eine Minderheitsbeteiligung hält, ist jedenfalls kein Vorbild. 

Umbau als einziger Weg nach vorne

Es ist unbestreitbar, dass der Verkehr der größte Klimakiller in Österreich ist. Deshalb braucht es einen grundsätzlichen Umbau der Auto- und Zulieferindustrie hin zu Produkten, die einen echten gesellschaftlichen Nutzen haben. 

Das wissenschaftliche Con Labour Projekt hat fundierte Vorschläge für den Umbau dieses Sektors entwickelt. Verschiedene betriebliche Transformationsprozesse wie die Modernisierung, Abwicklung einer Produktionslinie oder die Diversifizierung der Produktpalette werden genauer untersucht. Für den sozial-ökologischen Umbau des Sektors bedarf es auch einer umfassenden Industriestrategie, die auch die gerechten Übergänge für die Beschäftigten im Blick hat, argumentiert Julia Eder. Klar ist, dass wir vom Auto-Individualverkehr umsteigen müssen auf ein öffentlich organisiertes und klimafreundliches Mobilitäts- und Verkehrssystem. Doch die Autobranche in Österreich scheint dafür nicht gewappnet, obwohl sich schon vor 2019 Veränderungen ankündigten. 

Die heiße Frage ist deshalb: Warum hat sich niemand früher ein Konzept für die Transformation der Produktion in Richtung Mobilitätswende überlegt? Beispielsweise den mittelfristigen Umstieg auf die Produktion von Zügen und Straßenbahnen, wie von Expert*innen verschiedener Universitäten gefordert? In der Zwischenzeit könnten Elektro-LKWs und Busse produziert werden, die dann von der öffentlichen Hand abgenommen werden. Warum hat die Politik nicht schon längst angefangen, eine Strategie für die Region zu entwickeln, zusammen mit Bewohner*innen, Beschäftigten, Zivilgesellschaft und den Betrieben?

Sozialökologischer Umbau – unter Führung der Arbeiter*innen und Angestellten

Durch die Pandemie wird sich die Konzentration von Kapital weiter beschleunigen: Mehr Monopole und Oligopole sind im Entstehen, weil Konzerne kleinere und geschwächte Betriebe aufkaufen. Das macht es schwieriger, die notwendige soziale und ökologische Transformation gegen die Macht der Konzerne durchzusetzen. 

Den Umbau können wir also nicht den Konzernen und ihren Eigentümer*innen überlassen. Deshalb müssen wir die Eigentumsfrage stellen. Arbeiter*innen und die Bewohner*innen in der Region können den Umbau demokratisch gestalten und unsere produktiven Kapazitäten an unseren Bedürfnissen ausrichten. Strategische Entscheidungen gilt es demokratisch zu treffen, statt sie den Profitinteressen von weit entfernten Konzernzentralen zu überlassen.

Die komplette Verstaatlichung ist hier aber nur eine unzureichende Antwort, denn es braucht zwar öffentliches Eigentum, aber demokratisch kontrolliert und organisiert, wovon wir bei derzeitigem Staatsbesitz nicht sprechen können. Eine andere Möglichkeit wäre die Schaffung von staatlichen Finanzierungsmöglickeiten, z.B. eines sozial-ökologischen Transformationsfonds oder einer grünen Investitionsbank, die betroffene kleine und mittlere Unternehmen bei der Umstellung unterstützt und Anreize für die Gründung neuer Forschungs- und Entwicklungscluster schafft. Diese Instrumente könnten von Gemeinden, dem Land und dem Bund mit den Arbeiter*innen zusammen entwickelt werden und von Betrieben und der öffentlichen Hand befüllt werden. 

Vom Lucas Plan lernen: breite Koalition für den Umbau

Progressive Akteure müssen mit den Belegschaften darüber sprechen, wie sie die Betriebe bei der Selbstverwaltung unterstützen können – denn die Arbeiter*innen und Angestellten können ihr Wissen und ihr Können am Besten einschätzen. Ein gerechter Übergang kann daher auch am ehesten gelingen, wenn die Beschäftigten es sich selbst zur Aufgabe machen, sozial nützliche und ökologisch nachhaltige Produkte zu erzeugen.

Es ist keine Frage, dass das extrem herausfordernd ist. Trotzdem können aber auch brillante Vorschläge entstehen, was das Beispiel des Lucas Plans zeigt. In den 1970ern entwickelte die Belegschaft der Lucas Aerospace Werke einen Plan, um die Produktion von Waffen auf gesellschaftlich benötigte Produkte umzustellen. Mit detaillierten Berechnungen und Anleitungen zu Produktion und Absatzmärkten versehen, entstanden verblüffend aktuelle Vorschläge für den Ersatz von Kampfflugzeugen und Co: Windkraftwerke, Wärmepumpen, ein Schienen-Straßen-Fahrzeug und vieles mehr. 

Gescheitert sind die Arbeiter*innen damals, wenig überraschend, am Management. Aber auch die Politik war nicht zur Stelle und alle Hoffnungen auf Verstaatlichung wurden enttäuscht. Trotzdem inspirierte der Plan ähnliche Initiativen von Arbeiter*innen in in Großbritannien, Kontinentaleuropa, Australien und den Vereinigten Staaten: Die Beschäftigten einer Autofabrik in den UK beispielsweise, beschlossen aufgrund der ökologischen Kritik und sozialen Unverantwortlichkeit von Autos, einen ähnlichen Plan zu entwickeln. 

Die historische Erfahrung lehrt uns, dass man nicht auf die Politik warten sollte, sondern diese unter Druck setzen muss: Wenn es eine breite Koalition von Akteuren*innen gibt, die die Zukunft der Region unter der Führung der Beschäftigten selbst in die Hand nimmt, kann es gelingen den notwendigen Wandel durchzusetzen. 

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