Keine Liebe ohne Sonett

Lustvolles Crossdressing im liebestollen Sommertheater. Auf dem Schöneberger Südgelände feierte die Shakespeare Company Berlin Premiere mit dem Stück „Verlorene Liebesmühe“

Von Katharina Granzin

Hier und da tiriliert noch ein Vogel, Fledermäuse fliegen in der abendlichen Dämmerung. Das Freilichttheater auf dem Schöneberger Südgelände ist ein wunderbarer Ort, um einen lauen Sommerabend zu verbringen – umso mehr, wenn man dabei mit einem Getränk in der Hand Shakespeare gucken darf.

Seit Jahren gastiert hier die Shakespeare Company Berlin mit einem mittlerweile eindrucksvoll umfangreichen Repertoire. Meist stehen Komödien auf dem Programm, und auch diesen Sommer ist wieder eine hinzugekommen. Mit „Verlorene Liebesmühe“ hat die Truppe sich eines der weniger gespielten Stücke vorgenommen, eine Liebeskomödie, die vielleicht etwas einfacher im Handlungsaufbau – heißt: nicht ganz so üppig mit Verwechslungsszenarien und Intrigen bestückt – ist als ihre Genreschwestern, die aber mit nicht minder opulentem Wortwitz prunkt. Theaterleiter Christian Leonard hat für die Inszenierung wie immer die alte Vorlage neu übersetzt und mit Fingerspitzengefühl und Esprit an heutige Sprachgepflogenheiten angepasst, und Regisseur Jens Schmidl hat dem Ganzen für seine Inszenierung noch einen guten Schuss derben Volkstheaters beigemengt.

Sechs DarstellerInnen schlüpfen in vierzehn Rollen, wobei in den Nebenrollen ein lustvoll lustig ausagiertes Crossdressing am Werke ist. Isabelle Feldwisch, Vera Kreyer und Johanna-Julia Spitzer brillieren in komischen Männerrollen – was umso wichtiger ist, als die eigentlichen Frauenrollen in diesem Stück nicht halb so interessant sind wie jene der Männer – und auch Thilo Herrmann als Conchita-Wurst-Lookalike erntet in der Rolle der koketten Jaquenetta viele Lacher.

Die Handlung des Stücks ist schnell erzählt: Der Herzog von Navarra (Benjamin Plath) hat sich und seine beiden Gefährten Byron (Herrmann) und Dumain (Thomas Weppel) auf eine dreijährige Liebesabstinenz eingeschworen. Ernsten Studien will man sich widmen, und kein Damenfuß soll während dieser Zeit den Hof betreten dürfen. Die Ankunft der Prinzessin von Frankreich (Feldwisch) mit ihren beiden Gefährtinnen Rosaline (Spitzer) und Katharine (Kreyer) macht die lautstark verkündeten zölibatären Absichten jedoch schnell zunichte. Man verliebt sich sehr passend dreimal paarweise (mit Jaquenetta und dem komischen Don Armado kommt ein viertes Paar auf dem Volkstheaterlevel hinzu), doch natürlich will es zunächst niemand zugeben. Große freche Reden werden geschwungen, an die Wäsche wird sich gegangen, dann werden Sonette getextet und Briefe geschrieben, die selbstverständlich zunächst die falschen Adressatinnen erreichen. Ab und zu wird sehr hübsch gesungen, und eine Pseudo-Kasatschok-Tanzeinlage der drei Männer („Russki, vodka, hopsasa!“), die, als Russen verkleidet, den Frauen inkognito ihre Aufwartung machen, erntet große Begeisterung beim Publikum, das mittlerweile bereitwillig auf jeden Kalauer mit kollektivem Gelächter reagiert.

So gegen Ende wird es dann doch noch etwas unübersichtlich, da hat vielleicht auch beim guten alten Shakespeare der Drang zum schnellen Kompilieren ein bisschen die Oberhand gewonnen. Oder woher kommt plötzlich diese etwas seltsame Theater-auf-dem-Theater-Szene? Haben wir was verpasst? Vielleicht sind wir auch einfach etwas müde vom Pausenbier. Ist ja schon fast drei Stunden später jetzt als am Anfang. Die Vögel sind schon lange schlafen gegangen; ganz dunkel und ganz still ist es da draußen. Das einzige Geräusch, das noch von außerhalb das Theaterrund erreicht, sind das Quietschen und Ächzen der abbremsenden und wieder anfahrenden S-Bahn im Bahnhof Priesterweg. Ach, wie schön ist es doch, dass man es dahin jetzt gar nicht so weit hat.

Nächste Vorstellungen: 20. bis 22. Juni, je 20 Uhr