Cradle to Cradle-Kunststoffen gehört die Zukunft
7. Internationaler Cradle to Cradle Congress geht in die zweite Runde
Berlin, 7. September 2021
Sehr geehrte Damen und Herren,
Alternativen für konventionelle Kunststoffe sind in vielen Branchen heiß begehrt. Umweltzerstörung und gesundheitliche Schäden durch schadstoffhaltige Kunststoffe und Mikroplastik haben bereits zum Verbot von Einwegprodukten aus Plastik geführt, gleichzeitig werden die Ressourcen für konventionelle Kunststoffe immer knapper – da sind Substitute gefragt. Oder aber gänzlich neue und innovative Produkte. Die zweite Etappe des Cradle to Cradle Congress 2021 hat am 7. September 2021 gezeigt, welche vielfältigen Alternativen es bereits heute gibt, wie innovative Geschäftsmodelle zu einer Kunststoffindustrie führen können, die einen positiven ökologischen, ökonomischen und sozialen Fußabdruck hinterlässt, und welche politischen Rahmenbedingungen wir benötigen, um diesen Weg in Richtung einer C2C-Wirtschaft weiter zu gehen.
Dabei spielten auch die anstehende Bundestagswahl und der Fokus auf Klima- und Umweltthemen im laufenden Wahlkampf eine große Rolle. “Alle sprechen von Transformation. Und vor der Bundestagswahl sind sich alle einig, dass etwas passieren muss. Aber die Frage ist: Was? Für komplexe Fragen braucht es komplexe Antworten. Der Bierdeckel reicht da nicht. Daher haben wir uns gemeinsam mit unseren Partnern, unserem Beirat und unserem Ehrenamt Gedanken dazu gemacht”, sagte Tim Janßen, geschäftsführender Vorstand von C2C NGO zum Auftakt der Congress-Etappe.
“Wir müssen deutlich mehr machen, als nur von einer 1,5-Grad-Welt zu sprechen. Als Cradle to Cradle NGO wollen wir nicht nur die Probleme aufhalten, sondern zeigen, wie wir die Dinge ganz anders machen können. Daher haben wir die zehn wichtigsten Punkte für den Weg hin zu einer Circular Society nach Cradle to Cradle formuliert und sie der Politik als Chance für die kommenden Jahre bereitgestellt”, ergänzte Nora Sophie Griefahn, geschäftsführende Vorständin von C2C NGO.
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Auch Bundesumweltministerin Svenja Schulze, die bereits zum zweiten Mal in Folge Schirmherrin des C2C Congress ist, stellte Cradle to Cradle als zukunftsfähigen Ansatz heraus: “Nachhaltiges Produktdesign ist ein entscheidender Ansatz, damit die Produkte von heute nicht der schnelle Abfall von morgen werden”, sagte sie in ihrem Grußwort.
Manuela Matz, Wirtschaftsdezernentin der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt Mainz bezeichnete Cradle to Cradle im Gespräch mit C2C NGO als “sehr wichtiges und zukunftsweisendes Thema”. Der Ansatz lege den Finger in die Wunde, da es unser aller Pflicht sei, Konzepte zu entwickeln, wie wir die Wirtschaft in andere Bahnen lenken können. In Mainz würden beispielsweise Textilien aus kompostierbaren Stoffen entwickelt. “Wir sehen auch in Mainz, dass viele sich nicht nur Gedanken machen, sondern auch gründen”, sagte Matz. Nachholbedarf sieht sie dabei noch beim Thema öffentliche Beschaffung. Hier müssten Parameter gesetzt werden, um auch den Einkauf der öffentlichen Hand zu einem Beschleuniger für die Transformation hin zu einer C2C-Ökonomie zu machen. Eine neue Landesverordnung solle nun dafür sorgen, dass Nachhaltigkeit in der kommunalen Beschaffung künftig eine größere Rolle spielt.
Auch Katrin Eder, Staatssekretärin im Umweltministerium Rheinland-Pfalz, war zugeschaltet. Das Bundesland habe sich die ambitioniertesten Klimaschutzziele in Deutschland gesetzt, sagte Eder. Die Abfallwirtschaft spiele dabei eine wichtige Rolle. Heutige Zahlen zu Recycling sehe sie kritisch, da sie nicht den Anteil von Materialien zeigten, der tatsächlich wiederverwertet werde. “In Entwicklungsländern kommt es zu schockierenden Umweltverschmutzungen”, so Eder über eine der Konsequenzen der heutigen Produktionsweise.
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C2C-Lösungen für die Kunststoffbranche
Materialien, die in der Umwelt landen und dort Schäden anrichten, sind auch im Kontext der Kunststoffindustrie ein Dauerthema. Im ersten Diskussionspanel des Tages tauschten sich mit Dr. Anne Lamp, Co-Gründerin & CEO von Traceless, Michael Pooley, CEO von IFCO Systems sowie Reinhard Schneider, geschäftsführender Gesellschafter und Alleineigentümer von Werner & Mertz, drei Personen darüber aus, die sich alle mit einem alternativen Umgang mit dem Thema Kunststoffverpackungen beschäftigen.
“40 Prozent unseres Plastikmülls landen in der Umwelt”, sagte Lamp, die mit Traceless aus Reststoffen der Landwirtschaft eine biologisch abbaubare Kunststoff-Alternative herstellt. Grundstoffe für Verpackungsmaterialien für den biologischen Kreislauf seien sehr selten, so Lamp, was ihr als Motivation diente, einen solchen Stoff herzustellen. Vor wenigen Tagen kündigte Traceless eine Kooperation mit dem Versandhändler Otto an, woraus ab 2022 kompostierbare Verpackungslösungen für den Versand von Textilien entstehen sollen.
IFCO und Werner & Mertz haben ihre C2C-Geschäftsmodelle hingegen auf den technischen Kreislauf ausgerichtet. IFCO stellt sogenannte RPC-Container her, die den meisten Konsument*innen als jene grünen Kisten bekannt sind, in denen in Supermärkten Obst und Gemüse verkauft werden. 325 Millionen solcher Kisten hat IFCO weltweit im Umlauf. Die Kisten werden mit Lebensmitteln befüllt, nach dem Verkauf der Lebensmittel zurückgenommen, gewaschen und wieder zum gleichen Zweck eingesetzt. Die Rücknahme der Kisten, die aus Polypropylen (PP) bestehen, sei dabei elementarer Bestandteil des Geschäftsmodells. “Mehrweglösungen sind keine gute Lösung, wenn man Mehrwegprodukte nicht zurücknimmt. Für uns ist die Nachverfolgung unserer Kisten sehr wichtig, denn ohne die Rücknahme durch uns ist der Kreislauf nicht geschlossen. Das ist also ein riesiger ökonomischer und ökologischer Faktor in unserem Geschäftsmodell”, so Pooley.
Der Reinigungsmittelhersteller Werner & Mertz (Marke “Frosch”) stellt die Flaschen für seine Reinigungsmittel seit Jahren aus recyceltem Material her. Bei den PET-Flaschen des Unternehmens, die zu 100 Prozent aus Rezyklat bestehen, stammen heute bis zu 50 Prozent des Materials aus dem Gelben Sack, der Rest aus der PET-Flaschensammlung. “Unser Ziel ist es, einen perfekten Kreislauf zu schaffen. Wir möchten ein Vorbild für andere Sektoren sein, zum Beispiel für die Lebensmittelindustrie”, so Schneider. Er mahnte jedoch auch die Politik an, die dafür notwendigen fairen Wettbewerbsbedingungen zu setzen. “In Deutschland wird die Verarbeitung von Rohöl zu Kunststoff nach wie vor subventioniert. Das einzige Produkt, das man aus Rohöl herstellen kann, ohne eine einzige Steuer dafür abzutreten, ist Virgin Plastic. Das muss sich ändern”, sagte er. Beispielsweise, indem die europäische Plastiksteuer so eingeführt werde, dass Unternehmen nach dem Verursacherprinzip besteuert würden und die Nutzung von Rezyklat damit verrechnet werde.
Diese Forderung teilt auch Marcella Hansch, Gründerin & CEO von Everwave. Das Unternehmen entwickelt Technologien, um Plastik und andere Abfallstoffe aus Flüssen zu entfernen, noch bevor die Stoffe die Ozeane erreichen. “Das Ziel muss sein, dass zu 100 Prozent auf Virgin Plastic verzichtet wird. Recycling muss bezahlbar gemacht werden”, sagte Hansch in ihrer Keynote. Damit perspektivisch gar kein Plastik mehr in den Ozeanen lande, brauche es “Design for Recycling”. Heute fische Everwave beispielsweise viele Verbundstoffe aus Flüssen. Die seien nur schwer oder nicht recycelbar.
Ein neues Geschäftsmodell für die Textilwirtschaft
Eine weitere Branche, die viel Kunststoff einsetzt und gleichzeitig zu den schmutzigsten Wirtschaftszweigen überhaupt gehört, ist der Textilsektor. Doch auch hier findet langsam Wandel statt, wie Dr. Jenny Shao in ihrer Keynote sagte. Shao ist Global Partner bei Fosun International sowie Executive President der Fosun Fashion Group. Fosun ist das größte privatwirtschaftliche Konglomerat Chinas und einer der größten chinesischen Investoren. In ihrer Funktion ist Shao unter anderem Aufsichtsrätin bei der Wolford AG, die seit vielen Jahren bereits C2C-Textilien herstellt. Als kunststoffverarbeitende Branche liege es auch in der Verantwortung der Textilwirtschaft, sich zu überlegen, wie sie mit dem Problem Plastikmüll umgehe. Wolford setzt ein Polymer ein, dass im technischen Kreislauf zirkulieren kann, gleichzeitig aber auch biologisch abbaubar ist. Die entsprechende Aurora-Produktgruppe soll Shao zufolge ausgebaut werden. Ziel sei es, in den nächsten drei Jahren die Hälfte aller Produkte nach C2C zu fertigen. “Als Investor schätzen wir die Marke Wolford sehr. Nicht nur, weil sie eine lange Historie hat, sondern weil Substanz hinter der Marke steckt: Die Qualität der Produkte, die Technologie dahinter und C2C ist ein sehr wichtiger Bestandteil der Innovationsfähigkeit von Wolford”, so Shao. Dabei sei das Thema auch bei den anderen Marken im Fosun-Portfolio, darunter auch Tom Tailor, ein wichtiges strategisches Thema und soll in den kommenden Jahren weiter verfolgt werden.
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Am frühen Nachmittag hatten die Teilnehmenden die Auswahl zwischen vier parallel stattfindenden interaktiven Foren.
In Forum I ging es um die Frage, wie Normen und Standards die Transformation hin zu C2C unterstützen können. Moderiert von Alexandra Engelt, Senior Projektkoordinatorin in der Geschäftsfeldentwicklung Circular Economy beim Deutschen Institut für Normung (DIN) diskutierten Dagmar Glatz, Projektmanagerin Nachhaltigkeit Verpackungen bei der Drogeriekette dm, Dr. Harald Lehmann, Vice President Plastic Materials and Processing beim Sortieranlagenhersteller Tomra Sorting sowie Christian Schiller, Co-Gründer & CEO von Cirplus, einer digitalen Plattform für den Handel mit Kunststoffrezyklat.
“Die Qualität eines Materials ist der Schlüssel, um entsprechend hochwertige Rezyklate daraus zu erzeugen. Rezyklate haben heute ein schlechtes Image, denn sie waren in der Vergangenheit auch wirklich von schlechter Qualität”, sagte Lehmann. Normen könnten dabei helfen, diese Qualität auf einen Nenner zu bringen.
Schiller gehörte mit Cirplus zu einem Konsortium, das in den vergangenen Monaten eine DIN SPEC - und damit einen marktkonformen Standard - für die Klassifizierung von Kunststoffrezyklaten für die Verwendung und den (internetbasierten) Handel entwickelt hat. Sie wurde vor wenigen Tagen verabschiedet und formuliert, welche Daten von recyceltem Material vorliegen müssen, damit ein potenzieller Käufer sich dafür interessiert. “Wir können schon heute über Standards dafür sorgen, dass die Transaktionskosten für Rezyklat sinken”, so Schiller.
Die Drogeriekette dm biete heute mehr als 650 Produkte in Verpackungen mit einem Rezyklatanteil von mehr als 70 Prozent an, berichtete Dagmar Glatz. Doch als europaweit agierendes Unternehmen brauche das Unternehmen eine europäische Lösung, wobei Normen für die Qualität von Rezyklaten helfen könnten. “Bei den Kunden sehen wir nicht, dass die keine Rezyklatverpackungen wollen. Wir sehen auch nicht, dass sich unsere grauen Verpackungen mit hohem Rezyklatanteil schlecht verkaufen lassen”, so Glatz. Nun müsse die Branche zeigen, dass sie in der Lage sei, komplett recycelte Verpackungen auf den Markt zu bringen. Daher stelle dm derzeit viele Verpackungen auf recyclingfähiges Design um, beispielsweise Folien, die sich bisher nicht recyceln ließen.
In Forum II stellte Paolo Pezzin, Senior Raw Materials Manager der Outdoor-Marke Napapijri, die zur global tätigen VF Corporation gehört, deren Weg vom C2C-Projekt zu einer gesamten C2C-Produktlinie vor. Er sprach mit Albin Kaelin, CEO Textiles bei EPEA Switzerland, die bei der Umsetzung mitwirkte. Wer C2C einführe, der müsse sich ganz neu mit seinem Geschäftsmodell auseinandersetzen, so Pezzin. "Das Konzept sollte so sein, dass man nicht ein Produkt besitzt, sondern ein Design nutzt. Letztendlich kauft man keine Napapijri-Jacke, sondern ein Napapijri-Design. Das wird die Zukunft sein”, sagte er. Die Marke nutzt für ihre Textilprodukte das Polymer Econyl vom italienischen Unternehmen Aquafil, das im technischen Kreislauf zirkulieren kann. Dadurch kommen die Napapijri-Jacken ohne schädliche Beschichtungen aus, die bei konventionellen Outdoor-Textilien üblich sind. Auch die Rücknahme wird bei Napapijri bedacht. Nach der Nutzung können die Produkte an Napapijri zurückgegeben werden, die sie wiederum zum Recycling an Aquafil zurückgeben. Kaelin und Pezzin stellten heraus, dass trotz eines steigenden Umwelt- und Gesundheitsbewusstseins bei Konsument*innen der Preis letztlich ein gewichtiger Grund für oder gegen den Kauf eines Produkts sei. Doch Napapijri zeige auch, dass es möglich sei, kreislauffähige Produkte von guter Qualität zu einem wettbewerbsfähigen Preis anzubieten. Für Kaelin ist die in Italien gegründete Marke auch in diesem Bereich ein Vorbild. “Wenn man sich die Outdoor-Industrie ansieht, ist das die reinste Greenwashing-Maschine. Napapijri ist das Leuchtturm-Projekt für die gesamte Outdoor-Industrie und ein Anstoß für die Branche, dass sie sich wirklich ändern muss”, so Kaelin.
Neue Technologien gegen Mikroplastik
In Forum III sprach Nora Sophie Griefahn mit Dr. Carolin Völker, Leiterin der Nachwuchsgruppe PlastX beim ISOE Institut für Sozial-Ökologische Forschung sowie Dr. Katrin Schuhen, Erfinderin, Gründerin & CEO von Wasser 3.0 über das Thema Mikroplastik. Ganz speziell über die damit verbundenen Risiken, wie Mikroplastik identifiziert, aus der Umwelt entfernt und künftig ganz verhindert werden kann. PlastX untersucht biologisch abbaubare Kunststoffe, Verpackungen sowie Meeresmüll und die Auswirkungen von Mikroplastik. Wasser 3.0 entwickelt Technologien, um Mikroplastik aufzuspüren, zu entfernen und daraufhin wiederzuverwenden. Beide stellen in ihrer Arbeit fest, dass vor allem in Kunststoffen verarbeitete Chemikalien wie Farben oder Stabilisatoren dafür sorgten, dass Mikroplastik zum umwelt- und gesundheitsschädlichen Problem werde. Durch schlechtes Design und die falsche Verwendung von Materialien gelange dieses Mikroplastik dann in die Umwelt. Das Fazit der beiden: Wir brauchen für bestimmte Nutzungsszenarien designte Kunststoffe.
In Forum IV stellte der Autor und unabhängige C2C-Experte Douglas Mulhall heraus, welche wichtige Rolle das Thema Gesundheit in Zusammenhang mit Umwelt- und Klimaschutz spielt. “Jeder weiß, dass Schwermetalle in der Umwelt ein ausschlaggebendes Problem sind. Das wahre Problem ist aber, dass diese Schwermetalle sehr schädlich sind, wenn sie in unseren Körper gelangen”, so Mulhall. Dort können sie beispielsweise Herzkrankheiten auslösen. Die in Studien bei Herzpatienten gefunden Schwermetalle entsprächen dabei oft Stoffen, die in Verpackungen üblich seien. Die heutigen Richt- und Maximalwerte für gesundheitsschädliche Stoffe seien damit nicht sicher genug für die menschliche Gesundheit, richtete sich Mulhall an die Politik. Für Unternehmen, die mit materialgesunden Stoffen nach Cradle to Cradle arbeiten, sei dies ein Punkt, den es in einer zunehmende gesundheitsbewussteren Gesellschaft im Marketing herauszustellen gelte.
In der dritten Keynote des Tages stellten Marius Ehrlinspiel von der Beratung Wider Sense sowie Cirplus-CEO Christian Schiller eine aktuelle Studie vor, die den Markt für recycelten Kunststoff untersucht und dabei zu einem eindeutigen Schluss kommt, wie Ehrlinspiel zusammen fasste: “Der Markt für recycelte Kunststoff funktioniert nicht.” Eines von zahlreichen Problemen sei der Preis, der für neu produzierten Kunststoff im Einkauf zwischen 20 und 30 Prozent unter dem von Rezyklat von vergleichbarer Qualität liege. Das gehe auf entsprechende Subventionen und die etablierte Wertschöpfungskette bei Virgin Plastic zurück. Schiller ergänzte, dass ein systemischer Ansatz gefragt sei, um für gleiche Wettbewerbsbedingungen auf dem Markt für neue und recycelte Kunststoffe zu sorgen. “Denn nichts funktioniert so gut, wie wenn man in der Marktwirtschaft damit Geld verdienen kann”, sagte er.
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Ressourcen in Kreisläufe bringen
Auch im zweiten großen Panel des Tages wurden notwendige strukturelle Änderungen diskutiert, und zwar im Kontext von Ressourcenmanagement. Daran nahmen teil Dr. Matthias Eder, Kommunikationsleiter der PreZero Stiftung, die C2C-Expertin Katja Hansen, Peter Kurth, Geschäftsführender Präsident des Bundesverbands der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft BDE sowie Jochen Moesslein, Gründer & Geschäftsführer von Polysecure, der ein System zur Markierung von Produkten und Rohstoffen entwickelt hat, das Stoffströme nachvollziehbar macht.
Kurth sprach sich deutlich für eine entschlossene Politik für Umwelt- und Ressourcenschutz aus. So müsse der Green Deal auch in Deutschland schnell umgesetzt werden. “Das Beispiel Plastik zeigt: der Kreislauf schließt sich nicht von selbst. Wer sagt, der Markt reguliert das selbt, irrt sich”, so Kurth. “Wir als Entsorger wollen gemeinsam mit der Industrie von einer linearen zu einer zirkulären Wirtschaft gelangen”, ergänzte er. Gleichzeitig appellierte er an die produzierende Industrie und ihre Innovationskraft. “Je besser ein Produkt designt ist, desto besser gelingt das Recycling”, sagte er. Dabei tue es gut, über den eigenen Tellerrand hinaus zu blicken und Prozesse entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu verändert, mit allen daran Beteiligten.
Das versucht die Schwarz-Gruppe, zu der neben Lidl und Kaufland auch PreZero als ausgegründeter Entsorgungs- und Recyclingdienstleister gehört. Im vergangenen Jahr habe die Gruppe eigene Kunststoffprodukte auf den Markt gebracht, die zu 95 Prozent aus Rezyklat bestehen, in der kommenden Charge würden 100 Prozent angestrebt, so Eder. “Wir versuchen als Innovator und Vorbild der Branche zu agieren. Die Schließung eines echten Kreislaufs ist möglich, wenn man alle Beteiligten zusammenbringt”, sagte er.
Für Moesslein ist ein weiterer Hebel zur Kreislaufschließung eine deutlichere Definition von gewollten Inhaltsstoffen. Das, so sagte er, verbessere nicht nur die Sortierung sondern auch die Aufbereitung von Materialströmen. “Wir brauchen eine Sortierung wie die Briefsortierung. Genauso effizient könnte man den gelben Sack sortieren”, so Moesslein, der mit Polysecure dazu beitragen will, dies zu erreichen.
Ähnlich wie Moesslein sieht Hansen C2C Design als einen wichtigen Hebel für die Transformation der Kunststoffindustrie. Dazu gehöre auch ein Verzicht auf Additive, die die Recyclingfähigkeit von Materialien negativ beeinflussten. Gleichzeitig könne die Digitalisierung dabei helfen, Stoffströme in einen Kreislauf zu bringen. “Wir brauchen einen Mechanismus, beispielsweise ein Product Circularity Data Sheet, damit die Recycler wissen, welche Materialien in welcher Qualität auf sie zukommen”, so Hansen.
Alle vier Panelist*innen schlossen mit konkreten Forderungen an die kommende Bundesregierung ab. Während Peter Kurth ein Verbot von Deponien forderte, plädierte Moesslein dafür, die Herstellung von kreislauffähigen und positiven Produkte zu belohnen. Eder hofft, dass die Parteien es in Sachen Umwelt- und Klimapolitik nicht nur bei Floskeln im Wahlkampf belassen, sondern das Thema nach der Wahl im Wirtschaftsministerium ansiedeln, um Taten folgen zu lassen. Hansen möchte ein Belohnungssystem für innovative Unternehmen schaffen, die Cradle to Cradle umsetzen. Im Gegensatz zu einem Strafsystem würden so die Vorreiter einer zukunftsfähigen Wirtschaft belohnt.
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"30 Jahre Ankündigungspolitik"
Im Gespräch mit Nora Sophie Griefahn und Tim Janßen berichtete anschließend der Leiter der ZDF-Umweltredaktion, Volker Angres, von annähernd 30 Jahren Berichterstattung über Umwelt- und Klimathemen. In dieser Zeit sei das Bewusstsein für das Thema gestiegen. “Man muss heute nicht mehr erklären, dass es den Klimawandel gibt. Aber ob wir in der Sache weiter gekommen sind, ist eine andere Frage. Tatsächlich habe ich rund 30 Jahre Ankündigungspolitik erlebt”, so Angres. Auch der “eindimensionale Blick aufs Klima” habe dabei nicht geholfen. “Wir müssen viel, viel mehr tun”, so Angres.
Das haben sich auch jene drei Startups zum Ziel gesetzt, die sich und ihre C2C-Geschäftsmodelle im abschließenden letzten Panel des Tages vorstellen.
Lea Lensky ist Co-Gründerin & Geschäftsführerin von Holy Shit, einer studentischen Unternehmensberatung, die bei der Umsetzung von C2C-Projekten unterstützt. Ein Beispiel ist die Entwicklung der Vivamask, einer Covid-Schutzmaske, die biologisch abbaubar ist und durch austauschbare Einlagen dennoch FFP2-Niveau bietet. Lensky stellte heraus, dass bei der Gründung eines C2C-Unternehmens die Begeisterung für den Ansatz nicht unterschätzt werden darf. “Der Wille, Dinge auf positive Art und Weise zu verändern, muss da sein”, sagte sie.
Dr. Christina Linke ist Co-Gründerin & CEO von Clean Ocean Coatings und stellt Beschichtungen für Schiffsrümpfe her. Eine Innovation, die riesige Auswirkungen haben kann, da 90 Prozent des globalen Warentransports über das Meer erfolgt und die heutigen konventionellen Beschichtungen zum Schutz der Schiffe Schäden in der Umwelt hinterlassen. Das von ihr entwickelte Coating erodiere nicht, sorge für eine glatte Oberfläche und spare so bis zu 6 Prozent Treibstoff ein. Diese Kennzahlen seien neben der umweltpositiven Beschaffenheit wichtig. “Nur mit den Nachhaltigkeitsaspekten alleine gewinnen wir keine Kunden. Wir müssen nicht nur besser für die Umwelt sein, sondern auch einen Mehrwert bieten”, sagte sie.
Ähnlich ist das auch bei Steffen Otten, der den C2C-Sporttextilienhersteller Runamics gegründet hat und leitet. Bei seinen Produkten kommt es neben dem C2C-Aspekt auch auf Funktionalität an. “Wir wollen eine Sportwelt erdenken, die ohne schädlichen Müll auskommt und Sport ermöglichen, der mit gutem Gewissen ausgeübt werden kann”, so Otten. Runamics arbeitet unter anderem mit Bio-Baum- und Merinowolle, aber auch mit künstlichen Fasern wie dem Infinito-Garn von Inogema, das biologisch abbaubar ist.
“Klima- und Ressourcenkrise sind zusammenhängende Herausforderungen, das haben auch die Diskussionen und Best Practices heute gezeigt. Es gibt im Bereich der Kunststoffe und Verpackungen tolle Produkte und Geschäftsmodelle – ob in etablierten Unternehmen oder bei Startups – die langfristig einen positiven ökologischen, sozialen und ökonomischen Fußabdruck hinterlassen”, sagte Tim Janßen abschließend. “Wir müssen ganz klar definieren, wie unsere Welt morgen aussehen soll. Und der heutige Tag hat gezeigt, dass Cradle to Cradle für viele Unternehmen, aber auch für immer mehr Politiker*innen, der richtige Ansatz dafür ist”, ergänzte Nora Sophie Griefahn.
Auswahl Pressefotos Cradle to Cradle Congress 2021 | Etappe 2
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Informationen zur dritten und letzten Congress-Etappe am 4. November 2021 in Mönchengladbach finden Sie auf der Webseite des C2CC21.
Melden Sie sich gerne bei Fragen oder Interviewanfragen für unsere geschäftsführenden Vorstände.
Herzliche Grüße
Isabel Gomez
Der C2CC21 findet mit Unterstützung von DIN, Werner & Mertz, IFCO Systems, Jokey, Deutsche Lichtmiete, GLS Bank, Stadt Kassel und PreZero statt.
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Schirmherrin Cradle to Cradle Congress 2021: Bundesumweltministerin Svenja Schulze
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