Von der Umstellung auf neue, digitale Organisationsformate, dem Ausfall von kulturellen Veranstaltungen und öffentlichen Beteiligungsformaten, über starke finanzielle Einbußen in verschiedenen Sektoren, bis hin zur daraus resultierenden verminderten Investitionstätigkeit der Kommunen – die Coronapandemie hat Kommunen vor vielseitige Herausforderungen gestellt.
Im Rahmen der Fraunhofer-Initiative Morgenstadt haben die sechs Fraunhofer-Institute IAO, IESE, ISI, IMW, IOSB-INA und ISE die Effekte der Coronapandemie auf aktuelle und zukünftige Handlungsfelder sowie Strategien von Kommunen untersucht. Dafür wurden zwischen Dezember 2020 und Juni 2021 83 Mitarbeiter*innen von Stadtverwaltungen aus Klein-, Mittel- und Großstädten befragt. Die Ergebnisse der Umfrage sind nun in der Publikation »Auswirkungen der Coronapandemie auf die Entwicklung von Kommunen und Landkreisen in Deutschland« zusammengefasst und veröffentlicht. Bisher fehlten auf nationaler Ebene hierzu systemische und sektorübergreifende Studien für Kommunen als zentrale Akteure.
Ziel war es herauszufinden, wie Kommunen auf die pandemischen Auswirkungen in verschiedenen Bereichen der kommunalen Verwaltung reagieren und inwiefern dies eine Veränderung kommunaler Strategien bedeutet. Um ein systematisches Bild auf den kommunalen Umgang mit der Coronapandemie zu zeichnen, betrachtet die Umfrage zusammenhängend die folgenden Sektoren außerhalb des Gesundheitsbereichs: Rechts-, Sicherheits- und Ordnungsverwaltung, Finanzen, Bau, Bildung und Soziales, Datenmanagement, Mobilität, Kultur sowie Klimaschutz, Klimaanpassung und Energie. Dabei haben die Ergebnisse der Studie die Thesen der Expert*innen weitgehend bestätigt, indem sich vielerorts eine Verschiebung von Prioritäten innerhalb der Verwaltungsarbeit vollzogen hat. Themenbereiche wie die Digitalisierung wurden im Zuge der Coronapandemie immer wichtiger, während andere Bereiche wie der Klimaschutz eher in den Hintergrund rückten.
Hemmnisse beim Klimaschutz bestanden bereits vor der Pandemie
Im Handlungsfeld »Klimaschutz, Klimaanpassung und Energie« gab eine Mehrheit der Befragten an, dass sich die Herausforderung durch knappe Finanzmittel seit Beginn der Pandemie nochmals verstärkt hat. Beide Bereiche hatten nach Einschätzung der Befragten in der kommunalen Prioritätensetzung leicht an Bedeutung verloren, während das Thema in der Bevölkerung hingegen an Bedeutung gewonnen hat. Jedoch bestanden Hemmnisse bei der Umsetzung von Klimaanpassungsmaßnahmen laut den Ergebnissen dieser Befragung bundesweit in vielen Kommunen bereits vor der Pandemie. »Die Umfrage zeigt außerdem, dass die Prioritätenverschiebung Richtung Digitalisierung nicht zu dem erwarteten Budgetrückgang für die Bereiche Klimaschutz und Klimafolgenanpassung geführt hat«, erklärt Dr. Eva Ottendörfer, Teamleiterin am Fraunhofer IAO und Koordinatorin des Morgenstadt-Netzwerks. »Das sind erst einmal erfreuliche Nachrichten, denn neben der Coronapandemie hat das vergangene Jahr auch gezeigt, dass der Kampf gegen den Klimawandel für Kommunen in Zukunft noch wichtiger werden wird.«
Im Sektor Mobilität stellte sich heraus, dass die Pandemie für einen Rückgang motorisierter Verkehrsformen inklusive ÖPNV sowie eines Zuwachses an Rad- und Fußverkehr sorgte. Bei der Mehrzahl der befragten Kommunen wurde die entsprechende Infrastruktur dafür jedoch nicht verbessert, nur wenige Kommunen haben kurzfristig mit temporären Maßnahmen wie Pop-Up Radwegen reagiert. Einige Kommunen rechnen jedoch in Zukunft mit einer höheren Budgetzuteilung für den Bereich Mobilität im kommenden Haushalt und planen in diesem Kontext ihre Verkehrskonzepte zu überarbeiten.
Im Bereich der Finanzen zeigte sich insgesamt, dass die Pandemie in den Jahren 2020 und 2021 nur in wenigen Bereichen zu starken Budgetanpassungen geführt hat. Allerdings ist in den kommenden Jahren mit insgesamt weniger Investitionen zu rechnen, auch wenn die Kommunen keinen allgemeinen Investitionsstopp erwarten. Die Budgetsenkungen betrafen am häufigsten die Bereiche Personal, Statistik, Presse und Rechnungsprüfung sowie die Finanzverwaltung. Zwar kam es im Bereich Digitalisierung zu Budgeterhöhungen, jedoch sind diese geringer zu bewerten als erwartet.
Kommunales Datenmanagement und -nutzung noch ausbaufähig
Insgesamt ist zu erkennen, dass die Coronapandemie die Strategien und Tätigkeiten der befragten Kommunen für die Zukunft weniger beeinflusst hat, als dies auf Basis bereits früherer Erhebungen aus 2020 zu erwarten war. Auffällig ist laut der Forscher*innen, dass besonders kleinere Kommunen im Bereich der Datenverfügbarkeit und -nutzung weniger Handlungsbedarf sehen als erwartet. Diese planen aktuell weder, noch haben sie die Kapazitäten, in Zukunft mehr kommunale Daten zu erheben oder externen Akteuren vorhandene Daten als Open Data zur Verfügung zu stellen. Dabei stellt dies für viele der untersuchten Sektoren in Zukunft eine wichtige Entscheidungsgrundlage für die Planung und Umsetzung kommunaler Vorhaben dar. »Wenn wir eines aus der Pandemie lernen, dann wie wichtig es ist, eine richtige Daten-Governance für strategische Analyse- und Entscheidungsprozesse als Kommune oder Region im Einsatz zu haben«, fasst Steffen Braun, Institutsdirektor am Fraunhofer IAO, die Situation zusammen. »Ansonsten bleiben wir beim Modus des Reagierens anstatt des überlegten Vorausplanens.«
Die Umfrage der Morgenstadt-Initiative zeigt auch, dass im Bereich Digitalisierung vielerorts keine besonderen Handlungsstrategien für die Zukunft, beispielsweise durch die Einführung von digitalen Formaten für Bürgerbeteiligung oder Krisenkommunikation, in Planung sind. Zwar hat die Pandemie Hemmnisse im Bereich des digitalen Arbeitens abgebaut und die Schaffung von zukunftsfähigeren Arbeitsstrukturen ermöglicht. Trotzdem stecken digitale Beteiligungs- oder Kommunikationsformate vielerorts noch immer in den Kinderschuhen, weshalb die Kommunikation mit der Bevölkerung weiterhin über bestehende konventionelle Kanäle, wie die lokale Zeitung oder die eigene Website, erfolgte.