Lebensbedrohlich und teuer: Falsche Medikamente kosten Schweizer 30 Milliarden Franken pro Jahr

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Lebensbedrohlich und teuerFalsche Medikamente kosten Schweizer 30 Milliarden Franken pro Jahr

Über ein Drittel der chronisch kranken Patienten und Patientinnen nimmt unnötige Medikamente zu sich. Dadurch drohen fatale Nebenwirkungen – die Pharmabranche verdient  derweil doppelt.

Darum gehts

Pharmakonzerne verdienen dank Corona Milliarden. Allein in Deutschland verkauft die Industrie laut einer Studie des Branchenverbands bis 2030 Corona-Impfstoffe für 16 Milliarden Euro. Häufig verkaufen sie zu viel, was gar nicht nötig wäre.

Über ein Drittel der chronisch Kranken in der Schweiz bekommt eine unnötige Doppeltherapie. Das ergab eine Studie des Zürcher Medikamente-App-Anbieters TOM Medications mit 100 Patienten und Patientinnen, die 20 Minuten vorab erhielt.

«Kranke werden alleine gelassen»

Chronisch Kranke müssen teils Dutzende Medikamente pro Tag schlucken. Der Hausarzt, die Spezialistin oder die Apotheke verschreiben sie, wissen aber nichts von den weiteren Medikamenten. «Chronisch Kranke werden mit ihrer Medikation alleine gelassen», sagt TOM-Gründer und CEO Sven Beichler zu 20 Minuten.

Am häufigsten nehmen sie Schmerzmittel und Blutdrucksenker doppelt ein. Dadurch drohen laut Beichler fatale Nebenwirkungen, von Kopfschmerzen bis zu Leber- und Magenschäden. «Um diese Symptome zu bekämpfen, bekommen sie noch mehr Medikamente verordnet.»

Lebensbedrohliche Folgen

Oft passiere es auch, dass ein Medikament durch andere Stoffe im Körper, etwa ein zweites Medikament, stärker oder schwächer wirkt. Die häufigsten Symptome betreffen das Herz-Kreislauf- und das Nervensystem. Gemäss Studie sind 34 Prozent der chronisch Kranken von sogenannten Wechselwirkungen betroffen.

Das kann zu langfristigen Schäden von Herz und Hirn und neuen chronischen Krankheiten führen, für die es ebenfalls Medikamente braucht, so Beichler. Bei zwei Prozent könnten die Wechselwirkungen gar zur Hospitalisierung führen und lebensbedrohlich sein.

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Die Doppelmedikation und die Wechselwirkung hochgerechnet auf die ganze Bevölkerung bedeuten laut Beichler: Bis zu 1,5 Millionen der insgesamt 2,2 Millionen chronisch Erkrankten in der Schweiz nehmen falsche Medikamente ein.

Rund 30 Milliarden Franken koste der schlechte Medikamentencocktail pro Jahr. Beichler findet diesen Zustand unhaltbar. «Da diese Kosten grösstenteils durch die Krankenkasse gedeckt sind, muss die Allgemeinheit dafür zahlen.» Die 30 Milliarden zu viel liessen sich laut Beichler mit einer Medikamentenberatung in der Apotheke sparen. Die Kosten übernahm bis vor zwei Jahren die Krankenkasse.

Medikamentenberatung per App

Comparis-Gesundheitsexperte Felix Schneuwly bestätigt die Studienergebnisse: «Schädliche Wechselwirkungen beim Konsum mehrerer Medikamente sind ein grosses Problem. Keiner der Ärzte und Ärztinnen hat den Gesamtüberblick. Es war falsch, dass die Krankenkassen nicht mehr die Kosten für die Medikamentenberatung zahlen.»

Eine Lösung wäre aber auch ein für alle verbindliches, elektronisches Patientendossier, so Schneuwly. «Damit würde man auch besser Fehler bei der Medikamentenverschreibung erkennen.» Dagegen gebe es aber grosse Vorbehalte unter dem Vorwand des Datenschutzes, obwohl die Schweigepflicht gewährleistet sei.

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